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Lemmel/Lämmel im sächsischen Militär 1675-1730

von Hans-Dietrich Lemmel

Dieser Text war ursprünglich ein Teil des Aufsatzes  "Die Familie Lemmel und August der Starke", gedruckt  
in: Familienforschung in Mitteldeutschland Jg.1998 Heft 1 Seiten 193-204.

Johann Lämmel war seit 1680 General-Kriegszahlmeister unter drei Kurfürsten, siehe den separaten Text.

Bei der sächsischen Armee diente von 1675 bis 1686 der Kürassier Martin Lämmel aus Strehlen in Niederschlesien (11). Er dürfte die Türkenschlacht am Wiener Kahlenberg mitgemacht haben. Er ist der mutmaßliche Stammvater der niederschlesischen Lämmel in Petrikau und Pudigau (12).

Nach dem Wiener Türkenkrieg wurden neue Soldaten angemustert, darunter 1684 in der "Sächsischen Leibgarde zu Fuß: David Lemmel, Gemeiner, 21 Jahre alt, Vaterland Belgern, Profession Tischler", aus dem Torgauer Lemmel-Stamm (13). Aber obgleich die sächsischen Truppen weiter in Ungarn gegen die Türken kämpften, brauchte der Kurfürst seine Armee gerade nicht selbst. Es war für ihn und seinen Kriegszahlmeister ein einträgliches Geschäft, drei Regimenter, die aus den besten Fußtruppen zusammengestellt wurden, an die wohlhabende Republik Venedig zu vermieten, die gerade in Griechenland gegen die Türken kämpfte. So war David Lemmel zwar der erste Lemmel, der nach Griechenland reisen durfte, aber schon bald wurden die drei sächsischen Regimenter zu zwei Dritteln vernichtet (14), und von David Lemmel aus Belgern hat man nichts mehr gehört.
     
Als weitere Soldaten angemustert wurden, war darunter 1685 Salomon Lämmel aus Annaberg (15) im Rang eines Capitain des Armes, und 1687 der Tambour Samuel Lämmel aus Belgern, ein Bruder des in Griechenland umgekommenen David Lemmel. Samuel Lämmel diente als Anführer der Spielleute im sächsischen Leibregiment zu Fuß. Er dürfte mit seiner Militärkapelle bei vielen Festen und Aufmärschen am Dresdener Hof gespielt haben. Auf ihn werde ich noch zu sprechen kommen.

Und 1688 kam Christian Lemmel aus Drebach (16) zu den Churfürstlichen Dragonern, bei denen er über 16 Jahre lang blieb.

Im v.Minkwitz'schen Dragoner-Regiment diente auch der Dragoner Georg Lemmel "von Wolkenstein, Vaterland Drebach" (16). Der war schon 1683 nach Wien gegen die Türken gezogen und nun, im Jahr 1690 ging es gegen Frankreich. König Ludwig der XIV. war in die Rheinpfalz eingefallen und hatte das Heidelberger Schloss und viele andere Orte zerstört, so dass es zu einer Allianz gegen Frankreich kam, an der 15 Regimenter der sächsischen Armee teilnahmen, nebst Zahlmeister Johann Lämmel, Capitain Salomon Lämmel aus Annaberg, Tambour Samuel Lämmel aus Belgern und den Dragonern Christian und Georg Lemmel aus Drebach.

Sogleich wurden wieder Soldaten angeworben, darunter im Dezember 1694 im Leib-Kürassier-Regiment "Felix Lämmel, 24 Jahre alt, von Glauchau aus Sachsen, freiwillig angeworben, übel beritten" (29). Von ihm wird noch die Rede sein.

Auf dem Marsch durch Polen nach Riga passierte unterwegs ein Missgeschick. An einem entlegenen Ort stellte sich heraus, dass ein Mann fehlte, und im diesbezüglichen Militärakt (36) von 1699 heißt es: "Der Kürassier Felix Lämmel von Glauchau hat sich am 3.Dezember mit voller Montur im großen Morast verlohren." Man nahm also an, er sei im Moor versunken. Was wirklich mit ihm geschah, erzähle ich später.
      
Nach der verlorenen Schlacht bei Riga befand sich unter den gefangen genommenen sächsischen Soldaten der Kavallerist Johann Georg Lemmel, der nun zu den Schweden überlief und in das Livländische Kavallerie-Regiment des Generals von Tiesenhausen als "Volontär" eintrat, wo er es später zum Kornett, Leutnant und Rittmeister brachte (37). Leider scheint er in Schweden keine Nachkommen gehabt zu haben; eine heute in Schweden lebende Familie Lemmel ist anderer Herkunft (38). Dieser übergelaufene Georg Lemmel kam aus Neukirchen bei Chemnitz. 1684 heißt es im Neukirchener Gerichtsbuch: "Michael Lemmel ist mit Weib und Kindern davon gelaufen und hat sein Haus leichtfertig stehen lassen; es ist verfallen und wird wegen der darauf haftenden Zinsschulden vom Amtmann anderweitig vergeben". Georg, der Sohn des davongelaufenen Michael Lemmel, ging zur sächsischen Armee und lebte zeitweilig mit Frau und Töchtern in der Garnison Heersdorf bei Fraustadt in Polen. Nach der Schlacht bei Riga galt er als verstorben, und seine Frau kehrte mit ihren Töchtern nach Chemnitz zurück (39)

Der Kürassier Michael Lemmel aus Neukirchen hatte sich rechtzeitig abgesetzt. Er gelangte glücklich nach Hause, heiratete im November 1701 in Neukirchen und hatte viele Nachkommen, darunter den Familienforscher Herbert E. Lemmel.

Der Dragoner Christian Lemmel aus Drebach wurde 1704 in das neu formierte Leibdragoner-Regiment Augusts des Starken übernommen. Dabei ist in der Musterliste angegeben: "44 Jahre alt, Vaterland: Drebach, 1 Weib und 1 elfjähriger Sohn, hat 16 Jahre dem König in Polen gedient".

Der Tambour Samuel Lemmel aus Belgern, der ebenfalls den Krieg überlebt hatte, bekam einen guten Posten: 1702 wurde er königlich polnischer und kurfürstlich sächsischer Amtsschreiber, Steuereinnehmer und Amtsverwalter in Mühlberg an der Elbe (41). Auf ihn werde ich noch einmal zu sprechen kommen. So wie der Tambour Samuel Lemmel waren die Belgerner Lämmel musikalisch: sie wurden mehrfach als "Kantorei-Verwandte" bezeichnet, und der Tischler und Senator Gottfried Lämmel stiftete in Mühlberg eine Orgel.

Nun muss ich noch berichten, was aus Felix Lämmel wurde, der in Polen "im großen Morast verlohren" war.

Felix Lämmel war ein Enkel des Bäckermeisters Melchior Lemmel in Glauchau, der von 1625 bis 1650 erst Stadtvogt und dann Bürgermeister war (50). Er stammte aus Thum im Erzgebirge. Von seinem Enkel Felix Lämmel hieß es in Glauchau, dass er 1699 im Alter von 30 Jahren "auf Wanderschaft in fremde Lande" ging. Wie wir sahen, ließ er sich als Kürassier bei August dem Starken anwerben. Auf dem Marsch durch Polen fehlte er am 3. Dezember 1699, und man nahm an, er sei im Moor versunken. In Wahrheit aber war er fahnenflüchtig, und wir wissen heute, warum (51).

Kurz zuvor war sein Bruder Melchior Lemmel von einer vierjährigen Ostindienreise zurückgekehrt. Eine Nachricht über diese Reise muss seinen Bruder Felix auf dem Marsch in Polen erreicht haben. Die Reiseerlebnisse müssen recht verlockend gewesen sein, so dass Felix Lämmel am 3.Dezember 1699 eine günstige Gelegenheit wahrnahm, dem Kriegsdienst in Polen zu entfliehen. Ein gutes Jahr später tauchte er in Holland auf, von wo er im Auftrag der (Handels-)Kammer der Stadt Hoorn 1701 mit der Ostindischen Compagnie nach Holländisch-Ostindien, dem heutigen Indonesien fuhr. In Batavia, dem heutigen Djakarta auf Jawa, diente er acht Jahre als Pulvermacher, bis er am 1.10.1709 im Hospital von Batavia an einer Tropenkrankheit starb.

Die Ostindische Compagnie schuldete ihm noch 356 Gulden, ein recht schönes Vermögen, und sein Bruder, der Bäckermeister Melchior Lämmel in Glauchau, versuchte jahrelang, mit Hilfe der Gräflich Schönburgischen Behörden diesen Geldbetrag zu bekommen, offenbar vergeblich. Ein weiterer Bruder, Johann Michael Lemmel, reiste ebenfalls nach Ostindien, aber im Jahre 1716 galt er als verschollen, und der Bäckermeister Melchior Lämmel in Glauchau wurde "zu seinem Curator bestellt".

Da der Bäckermeister Melchior Lemmel nach seiner Rückkehr aus Ostindien trotz seiner Heirat mit einer gesunden Frau (sie wurde 96 Jahre alt) kinderlos blieb (vielleicht als Folge einer Tropenkrankheit), und da seine beiden Brüder in Ostindien umkamen, führte dieses exotische Abenteuer zum Aussterben der Glauchauer Lemmel-Familie.

August der Starke regierte noch lange bis 1733. Für diese Zeit wurden die Musterungslisten im Dresdener Kriegsarchiv nicht mehr so gründlich durchgesehen. Bisher fand man nur im Jahre 1730 den Kürassier Johann Friedrich August Lämmel, Alter 26 Jahre, Vaterland Ehrenfriedersdorf, "dient Ihro kgl. Maj. 5 Jahre" (51a). Leider hat man später von diesem Kürassier nie wieder etwas gehört.
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Fußnoten

11  Für diese und die im weiteren Text genannten Musterungen: Sächs.HStA Dresden, Kriegsarchiv, Musterlisten. Auszüge durch Kurt Wensch. Genaue Quellenangaben siehe Anm.5.

12  H.D. Lemmel, wie Anm.5, Lämmel-Stamm Strehlen. Die genealogische Einordnung dieses Lämmel-Stammes ist noch offen.

13  H.D. Lemmel, wie Anm.5, Lemmel/Lämmel-Stamm Torgau.

14  Schuster und Francke, Gesch.d.sächs. Armee, Leipzig 1885, Teil I S.110; laut Kurt Wensch, Mtlg 1984.    

15  H.D. Lemmel, wie Anm.5, Lemmel-Stamm Jahnsdorf.

16  H.D. Lemmel, wie Anm.5, Lemmel-Stamm Jahnsbach.  

29  H.D. Lemmel, wie Anm.5, Lemmel-Stamm Marienberg.


36  Wie Anm.11, Musterliste Nr.69.    

37  Riksarkivet Stockholm, Mtlg Bertil Johansson 1997. - "Karl XII:s Officerare", Norstedt förlag, Stockholm 1920, Bd.II S.391.

38  Der schwedische Generalmajor Carl Andersson nahm 1926 den Namen Lemmel an, wobei in dem diesbezüglichen Regierungsakt bestätigt wird, dass der Name nicht schon verwendet war. Wie er auf den Namen Lemmel gekommen ist, ist unbekannt. - Vem är det, 1965. Mitteilungen Archivdirektor Otto Brenner 1967; Bertil Johansson 1997; Fredrik Lemmel, Stockholm, 1998.

39  Kirchenbücher Chemnitz-Johannis, Trauung 1715 S.59 Nr.10, Begräbnisse 1721 S.727 Nr.37, 1740 S.13 Nr.57. Mitteilung R.Friedrich 1998.

41  Landeshauptarchiv Magdeburg, Rep.D Amt Mühlberg A I und A II, etliche Regesten von 1702 bis 1779 durch Kurt Wensch. -  H.D. Lemmel, wie Anm.5, Lemmel/Lämmel-Stamm Torgau. 

50  H.D. Lemmel, wie Anm.5, Lemmel-Stamm Marienberg.

51  Sächs. HStA Dresden, Außenstelle Glauchau, Schönburg'sche Gesamtregierung Nr.4884. Laut Kurt Wensch.

51a H.D. Lemmel, wie Anm.5, Lemmel/Lämmel-Stamm Raschau.



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