Schloßberg
Unsere
Großmutter Lotte Lemmel in Königsberg war mit der jüdischen Familie Schloßberg
befreundet, die ein Textilgeschäft hatte und vermutlich in der
Nachbarschaft wohnte. 1933 emigrierte die Familie nach
Palästina,
mit der damals 5-jährigen Tochter Leah, die in Israel eine
aktive
Politikerin wurde und Ehefrau des 1995 ermordeten
Ministerpräsidenten
Jitzchak Rabin.
In den 1980er Jahren hatte Lotte Lemmels Enkel Dr.Ernst-Martin Lemmel eine Dienstreise nach Israel,
bei der er unserer Nachbarin Leah Rabin einen Königsberger
Bildband
als Geschenk mitbringen wollte. Zum Überreichen fand sich aber
keine
Gelegenheit.
Pikart
Von
unserer Großmutter in Königsberg, Hardenbaergstraße 11, hatten wir in Erinnerung, dass sie eine
Lia
Assmann
kannte und mit ihr noch nach 1945 in Kontakt war. Im Jahr 2013 suchte
Frau Astrid C. Tury aus Amerika im Königsberger
Bürgerbrief nach
den Nachkommen einer Li Assmann aus Königsberg,
Hardenbergstr.15,
eine Witwe, wohl im Alter unserer Großmutter. Unser Vater
hatte in
Königsberg bei Professor Assmann habilitiert, aber in der
Hardenbergstraße war es eine andere Assmann-Familie. Wir
schrieben
an Frau Tury, und sie schrieb zurück, mit einigen Fotos. Sie
war
1941 geboren und bei ihren Großeltern Pikart
aufgewachsen,
in der
Hardenbergstr. Nr.15, siehe Foto unten von 1935. Es stellte sich
heraus, dass es der selbe Hausblock war wie der unsrige. Es ist das
Eckhaus zur Steinmetzstraße, und der dortige Eingang,
Steinmetztstr.10, war unser Eingang. Dass es das selbe Haus ist, ist
deutlich an den Ziegel-Einfassungen der Fenster im Stil der 1920er
Jahre zu erkennen. In diesem Stil war es das einzige Haus in dieser
Gegend. Auch der Zaun ist auf beiden Fotos die selbe Konstruktion.
Zum Vergleich unser Foto mit Ernst-Martin 1936, und dann das Foto von
Frau Tury von 1935.
Die
Familie Pikart
vor dem Haus Hardenbergstr. 15, 1935. Daneben ein Kinderbild von Frau
Tury im Schnee in der Hardenbergstraße im Winter 1943/44, und
Ernst-Martin erinnerte sich, dass er hier als 4- oder
5-Jähriger
beim Schnee-Schaufeln geholfen hatte, wohl im Winter 1939/1940, bevor
wir nach Thorn umzogen.
Wieck
In
der Steinmetzstraße, etwas weiter stadteinwärts,
wohnte die Familie
Wieck. Das erfuhren wir aber erst Jahrzehnte später. 1988 kam
das
Buch von Michael Wieck
heraus: „Zeugnis vom Untergang
Königsbergs“. Er hatte als
jüdischer Junge, geboren 1928, die Nazizeit und die Russenzeit
in
Königsberg bis 1948 überlebt. Die Eltern, Karl Wieck
und Hedwig
geb. Hulisch hatten das Königsberger Streichquartett
gegründet,
dessen Aufführungen unsere Eltern sicherlich besucht hatten.
Auch
unsere Tante Jenny Lemmel, Konzertpianistin, die 1945 in
Königsberg
verschollen ist, muss die Wiecks gekannt haben. Der Vater Wieck war
mit Clara Wieck-Schumann verwandt, und die Mutter war eine
jüdische
Konzert-Violinistin, so dass der Sohn Michael jüdisch erzogen
wurde
und Violine spielen lernte. Einige seiner Kindheits-Erinnerunngen,
die er im Buch schildert, hatten wir ebenso erlebt, so die
sommerlichen Reisen nach Rauschen an die Ostsee und das winterliche
Rodeln im nahe gelegenen Park von Luisenwahl. – Wenn man von
unserer Straßenkreuzung, Ecke Hardenbergstraße, die
Steinmetzstraße
entlang ging bis zur nächsten Kreuzung, kam man zum Eckladen
des
Kaufmanns Dossow.
Ernst-Martin hat hier die Erinnerung, dass er hier als
5-Jähriger
ganz allein zum Brötchen-Einkaufen geschickt wurde (wobei
freilich
die Eltern aus dem Fenster den ganzen Weg überblicken
konnten).
Hans-Dietrich hat hier die Erinnerung, dass es beim Einkaufen beim
„Onkel Dossow“ immer etwas Süßes
gab. Michael Wieck hat hier
die Erinnerung, dass der Kaufmann Dossow ein besonders übler
SA-Mann
war.
1988,
als sein Buch herauskam, war Michael Wieck Konzertmeister im
Stuttgarter Kammerorchester, und ich hatte einen kurzen Briefwechsel
mit ihm. Und Ernst-Martin lud ihn einmal in die Grundig-Klinik
oberhalb von Baden-Baden zu einem Konzertabend ein, wobei er ihn, zu
seiner Überraschung, als Nachbarn aus Königsberg
herzlich begrüßte.