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Bamberg
- Chemnitz -
Schneeberg.
Die
Unternehmerfamilie
Lemmel 1400-1600 im Zeitenwandel.
von Hans-Dietrich Lemmel
Gedruckt in: Zeitschrift für Mitteldeutsche Familiengeschichte 60.Jg. (2019) Heft 1 S.1-20.
>> Hier mit einigen <Ergänzungen>. Wahlweise die gedruckte Originalversion.
Die Ausbreitung des
fränkischen Familienunternehmens
der Lemlein/Lemmel im 15. Jahrhundert in das sächsische
Erzgebirge,
wozu vorläufige Forschungsergebnisse 1965/1970 von Herbert E.
Lemmel
veröffentlicht wurden, manifestierte sich am besten im
Schneeberger
Familienzweig, auf den ich mich in dieser Arbeit konzentrieren
möchte. Die Erkundung der vielen in den Fußnoten
genannten Quellen
verdanke ich seit den 1960er Jahren vielen Forschern,
unter denen ich besonders Ernst Költzsch (†1971)
erwähnen möchte, der die frühen Schneeberger
Urkunden erschloss,
sowie Kurt Wensch (†1997),
der
mir aus dem Dresdener Staatsarchiv zahlreiche Lemmel-Dokumente
mitteilte. Seither sind neuere Forschungs-Ergebnisse hinzugekommen.
Abb.1:
Signaturen der verdienten Forscher Ernst Költzsch und Kurt
Wensch
1.
Aus Bamberg in Chemnitz
Im Jahre 1425 reiste ein
Kaufmannszug der Nürnberger
Handelshäuser Stromer und Imhoff unter dem Bamberger Kaufmann
Fritz
Held in Richtung Osten und wurde bei Chemnitz überfallen.
Bald darauf, 1437, kam Mertein Lemlein/Lemel, der noch 1434 in seinem
Heimatort Bamberg beurkundet ist,
nach Chemnitz und erwarb dort das Bürgerrecht.
Er war ein Schwager des überfallenen Kaufmanns Fritz Held und
sollte
offenbar einen Stützpunkt für die Nürnberger
Unternehmer aufbauen.
Der geografische Bereich seiner Handelsinteressen wird aus den
Tätigkeitsorten der Lemmel-Verwandtschaft ersichtlich.
Sein Vater Hans Lemlein (†1429) war Schöffe in der
böhmischen
Bergbaustadt Kuttenberg gewesen, bis er 1421 wegen der
Hussiten-Unruhen nach Bamberg zurückkehren musste. Merteins
jüngerer
Bruder Michel Lemlein († vor 1457) war in Nürnberg
mit einer
Tochter des bedeutenden Oberpfälzer Gewerken Ulman Hegner
(†1469)
verheiratet. Merteins jüngerer Halbbruder Hans Lemlein/Lemel
(†1473)
war Ratsherr und zeitweilig Bürgermeister in
Nürnberg. Ein Vetter,
Johannes Lemmel († nach
1456),
war ungarischer Kammergraf in
Hermannstadt in
Siebenbürgen. Bergwerke in den Karpaten hatte auch Eberhard
Klieber
(†1443) aus Bamberg, der ein Schwager von Merteins Vater
Hans
Lemlein war. Man handelte nicht nur mit Erzen und Metallprodukten,
sondern auch mit Textilien und anderem.
Nach schnell erschöpften
früheren Silberfunden im
Erzgebirge war Chemnitz zu dieser Zeit hauptsächlich eine
Textilstadt. So ist es kein Zufall, dass Merteins gleichnamiger Sohn
1476 in der Chemnitzer Webergasse
wohnte. Erst nach dem "Berggeschrey" mit der Kunde von
reichen Erzfunden, das 1470 in Schneeberg, 1491 in Geyer am
Schreckenberg bei Annaberg, 1519 in Marienberg erfolgte, wurde
Chemmnitz zum Tor für die Bergbautätigkeiten im
Erzgebirge. In
allen diesen Bergstädten tauchten dann auch Lemmel-Vettern als
Gewerken und Bergleute auf, aber es waren jetzt Einzel-Unternehmer.
Von dem ursprünglichen Familienunternehmen war nichts mehr zu
bemerken.
Mertein Lemlein/Lemel aus Bamberg
hatte in Chemnitz
zwei Söhne. Der jüngere Sohn "Michel Lemmel de
Kempnicz"
studierte 1452 in Leipzig und 1456 in Erfurt. Er wurde dann Altarist
in Chemnitz
und kaiserlich approbierter Notar.
Das entsprach der Familientradtion: Merteins Onkel war Conrad Lemlein
(†1436),
der in Prag studiert hatte und in Bamberg als Dekan den Kontakt zur
Obrigkeit des Fürstbischofs besorgte.
Merteins älterer Sohn,
"Martinus Lemlein de
Pabenberga",
hatte 1431 die Wiener Universität besucht. Als er 1476 als
Merten
Lemmel in Chemnitz in der Webergasse lebte, war er vermutlich ein
Leinenhändler, denn sein jüngerer Sohn Paul und
dessen Nachkommen
lebten fortan auf dem Lande in Neukirchen und Adorf, wo der Flachs
angebaut wurde und wo 1571 im Erbe des Nickel Lemmel 36 Ellen
"Flachsen Linnet" genannt sind.
Viele Nachkommen lebten dann im Erzgebirge als Bauern und Handwerker
bis in die Gegenwart.
Einer von ihnen war Johann Lämmel aus Neukirchen (*1644,
†1705),
eines "Mälzers" Sohn, der General-Kriegszahlmeister unter
August dem Starken
wurde.
In Chemnitz lagen die
Häuser der führenden Chemnitzer Familien, der Neefe,
Thiel, Wagner,
Hösel und der um 1460 aus Nürnberg gekommenen
Schütz am Markt und
in der Johannisgasse.
Das Geschossbuch von 1495
zeigt die Vermögensverhältnisse: Die Witwe Lemmel
zahlte 23
Groschen, Hans Neef 22 Groschen, Ulrich Schütz aber 2 Schock
Groschen. In dem Haus, für das 1466 und 1487 der Tuchmacher
Peter
Hösel eingetragen war, saß 1495 die Merten Lemelyne,
die Witwe des
Merten Lemmel aus der Webergasse, und verkaufte das Haus an Nicl
Philipp.
Wahrscheinlich war die Merten Lemelyne eine Tochter des Peter
Hösel,
so dass der zugewanderte Lemmel hier Anschluss an die Chemnitzer
Prominenz fand. Dadurch konnte Martins älterer Sohn Hans
Lemmel das
Unternehmertum der Familie fortsetzen. Aus der Entdeckung der reichen
Silberadern und Erzvorkommen im Erzgebirge ergaben sich neue
Wirtschaftszweige. Das bekannteste Beispiel ist die
Seigerhütte vor
dem Niklastor am Chemnitzfluss
mit einem neuen Verfahren zur Silberscheidung aus dem Rohkupfer. Die
Hütte wurde von dem Chemnitzer Ratsherrn Nickel Thyle und
seinem
Schwiegersohn Ulrich Schütz betrieben. In der Nachbarschaft
hatte
auch Hans Lemmel einen Besitz,
und seine drei Söhne zogen nun mit den Chemnitzer Nachbarn ins
Erzgebirge.
Tafel 1 zeigt die
Stammfolge der ersten Generationen der Chemnitzer Lemmel bis zu den
um 1470/1475 geborenen Brüdern Jakob, Georg und Hans.
Die angegebenen Geburtsjahre wurden von mir abgeschätzt.
Tafel 1: Die
ersten Generationen der Chemnitzer Lemmel.
Rechts oben das
Lamm-Siegel des Bamberger Hans Lemlein von 1408,
und das Porträt
des Nürnberger Ratsherrn Hans Lemlein.
Der eine Sohn, Jakob, ging nach
Geyer
und in die 1521 gegründete Silbererz-Stadt Marienberg, wo um
1530
seine Witwe, die Margarete Lemlin, zusammen mit Nickel Schütz,
Georg
Hösel, Bastian Funck und anderen Gewerken beurkundet ist.
In der Enkelgeneration ließen in Marienberg zwischen 1550 und
1580
zehn Lemmel-Vettern 41 Kinder taufen.
Jetzt hatte die junge Bergstadt bereits 4000 Einwohner. Aber das
Bergglück war nicht von Dauer, und schon um 1620 gab es keinen
Lemmel mehr in Marienberg. Nach dem Stadtbrand 1610, bei dem nur 6
kleine Häuser stehen blieben, müssen viele
Lemmel-Nachkommen
abgewandert sein. Einer von ihnen ist Adam Lemmel, der 1574 in
Marienberg geboren wurde. Er ist vielleicht identisch mit dem
Kunstmaler Adam Lemmel,
der 1617-1636 in Bautzen Ratsherren porträtierte und 1652 in
Leipzig
starb, als "armer alter Mann, ein Vertriebener, ein Kunstmahler
aus Praga". Ein anderer ist Georg Lemmel, der 1616 in Marienberg
geboren wurde. Er ist wahrscheinlich identisch mit dem "Hauer
Georg Lemmel aus Kursachsen", der 1631 in Kongsberg/Norwegen
einwanderte und dort in der Hoffnungs-Grube arbeitete.
Später tauchte ein Bergmann Matthes Lemmel "aus Norwegen"
1657 in Schneeberg auf, wo er heiratete und ein Haus erwarb.
Sein Sohn Michael (†1699) wurde Hüttenmeister in
Freiberg.
Der zweite Sohn, Georg, lebte 1537
neben Georg Thiel
in der Bergstadt Platten auf der böhmischen Seite des
Erzgebirges
und wurde dann Richter im oberen Erzgebirge in Crottendorf,
wo es etliche Eisenhämmer gab. Seine zahlreichen Nachkommen
leben in
dieser Gegend noch heute. Das Gemeindewappen von Neudorf bei
Crottendorf
(Abb.2) ist vermutlich auf das Lemmelsche Familienwappen
zurückzuführen, denn von 1544 bis 1671 hatten die
Lemmel in fünf
Generationen hier das Erbrichteramt inne.
Abb.2:
Das Gemeindewappen von Neudorf.
Über den dritten Sohn,
Hans, der nach Schneeberg
ging, möchte ich im folgenden berichten.
2.
Hans Lemmel aus
Chemnitz in Schneeberg
Hans, der Enkel des Mertein
Lemlein aus Bamberg,
starb in Chemnitz um 1501/1502, und sein gleichnamiger Sohn erhielt
1503 das Chemnitzer Bürgerrecht. 1504 ist Hans Lemmel (also
wohl der
junge) im Geschossbuch noch für einen Besitz eingetragen,
aber dann wird er in Chemnitz nicht mehr genannt. Im Jahre 1512 wird
ein Hans Lemmel in Schneeberg mit der Fundgrube St.Georg belehnt.
Das muss der Chemnitzer Hans Lemmel sein, denn in seinem Umkreis
tauchen die Namen einiger Chemnitzer Familien wieder auf, wie aus den
gedruckten Schneeberger Chroniken
hervorgeht. 1522 sind Hanns Lemmel, Nicol Wagner, Wolf Thiel und
Nicol Barthel Vorsteher der Gemeinde. 1529 ist Hanns Lemmel einer der
zwei Schöppen. 1534/1535 ist Hanns Lämmel als Steiger
erwähnt.
1531-1535 wird er mit weiteren Stollen belehnt: St.Ursula am
Mühlberg, beim Fürstenstollen und am
Fürstenvortrag, sowie im
"schwarzen Behren".
Der Name taucht hier in verschiedenen Varianten auf, so auch als
Lembl oder Lemmer.
Interessant ist nun Hans Lemmels
Ehefrau. 1512 gibt
es vor dem Gericht zu Kirchberg (nordwestlich von Schneeberg, Abb.3)
eine Erbverhandlung.
Bartel Bleinitzer zu Burckersdorff erhält Verzicht und Auflassung in die
väterlichen
Güter von Jorg Blenitzer,
Hans Blenitzer,
sowie "lemmerhans"
und Michel Philipp
wegen ihrer Weiber, und Barbara, einer Dienerin des Voits zu
Hartmannsdorf Michel Pock.
- 1519 folgt ein weiterer Eintrag. Partel Plawnitzer
hat vergnügt und bezahlt an ihren Erbteil seine
Schwäger Nickel(?)
Pock
gottsel., Hans Lemmer,
Michael Philipp,
Lorenz Frolich,
sowie Hans und Jacoff Plawnitzer.
Der alte Bleinitzer/Plawnitzer zu
Burkersdorf war
also vor 1512 verstorben, und unter den Erben sind seine
Schwiegersöhne Hans Lemmer und Michael Philipp.
(In Chemnitz hatte Nickel Philipp
das Haus am Markt
von der Merten Lemelyne gekauft.)
Nun grenzt dieses Burkersdorf an
Wiesenburg, und dort
saß <der Ritter> Georg Planitz, der viele Ländereien
besaß und dessen 1473
geborener Sohn Hans im Dienst der Kurfürsten Friedrich III
(†1525)
und Johann (†1532) stand. 1523 wurde ihm auf dem
Nürnberger
Reichstag von Kaiser Karl dem V. <der Titel "Edler von der Planitz" verliehen>.
Abb.3:
Die ungefähre Lage der erwähnten Orte
Bleinitzer, Plawnitzer und Planitz
müssen Varianten
des selben Namens sein, wie aus weiteren Zusammenhängen zu
folgern
ist. In der Verwandtschaft des Hans von der Planitz war ein vor 1512
in Burkersdorf gestorbener Vetter freilich bisher nicht bekannt, aber
er lässt sich zwanglos einordnen. Tafel 2 zeigt die
Bleinitzer-Familie, wie sie aus der Erbverhandlung ersichtlich ist,
neben dem vermutlichen Vetter Hans Planitzer/v.d.Planitz. Die
angegebenen Geburtsjahre sind von mir abgeschätzt.
Tafel 2: Die
Verwandtschaft Lemmel-Bleinitzer/v.d.Planitz
Die Herrschaft Planitz wurde von
den drei Brüdern
Friedrich, Georg und Hans gemeinsam verwaltet, bis sie 1463 eine
Erbteilung vornahmen.
Friedrich erhielt das Schloss Planitz und manches andere, und die
beiden Brüder Georg und Hans Planitzer erhielten gemeinsam
Wiesenburg, Burkersdorf und anderes. Später saßen
Georgs Söhne
Rudolf und Hans (der spätere Politiker) auf Wiesenburg. Daraus
zu
schließen muss Burkersdorf an Hans Planitzer gelangt sein, von
dem
sonst nur berichtet wurde, dass er 1476 im Heiligen Land auf einer
Pilgerfahrt starb, die er zusammen mit Herzog Albrecht von Sachsen
unternommen hatte. Hans Lemmels Schwiegervater, der Bleinitzer "auf
Burkersdorf", kann daher nur ein Sohn des 1476 gestorbenen Hans
Planitzer sein.
Unter den Erbschaften, die 1463 an
Georg und Hans
Planitzer fielen, waren auch "Nuwestetlin und Grispach",
das sind Neustädtel und Griesbach, die 1470 durch die
Silberfunde
bekannt wurden. Gleich daneben wurde für das
hinzuströmende Volk
Schneeberg gegründet, das bereits 1481 von den
Herzögen Ernst und
Albrecht das Stadtrecht verliehen bekam. In Griesbach aber hatte der
jüngere Hans Lemmel 1544 eine Erbschaft,
und dessen gleichnamiger Neffe heiratete 1558 in Neustädtel.
Es muss also einiges aus dem Planitzer-Besitz an die
Lemmel-Nachkommen vererbt worden sein. Und die Planitz-Verwandtschaft
dürfte auch das Schicksal eines Lemmel-Sohnes bestimmt haben.
<Nachtrag: Der in Tafel 2 genannte NN Bleinitzer heißt Nicol.
Dass er tatsächlich in die Familie v.d.Planitz einzuordnen ist,
wird durch weitere Urkunden-Regesten bestätigt, die Ernst
Költzsch angefertigt hatte [Staatsarchiv Dresden, GB Kirchberg
No.182]. Einzelheiten dazu siehe http://geneal.lemmel.at/Pltz.html .>
3.
In kurfürstlichen
Diensten
Von 1533 bis 1549 stand ein Fritz
Lemmel/Lemlein in
verschiedenen Diensten des Kurfürsten Johann Friedrich, dessen
Ratgeber Hans Planitzer war, der 1535 in Weimar starb. Man muss
annehmen, dass Fritz ein Sohn des Schneeberger Hans Lemmel ist, und
dass er durch den Planitzer in die Dienste des Kurfürsten
gelangte.
1533 ist Fritz in Buttelstedt (10 km nördlich von Weimar) als
"raissiger Knecht" des Kurfürsten genannt. Er hatte dort
an der Handelsstraße zwischen Erfurt und Leipzig einen
Geleitsdienst, der ihm 1549 aufgekündigt wurde.
1542 war er zudem Vogt zu Brambach(Abb.4)
im südlichsten Zipfel des Ernestinischen Gebietes. Auf einem
Rittergut in Brambach saß wiederum Hans v.d.Planitz.
Abb.4: Eine
Quitantz (Quittung) für Fritz Lemmel Voit zu Brambach, 1542
Der Verlust des Geleitsdienstes
ist im Zusammenhang
mit dem Schmalkaldischen Krieg zu sehen, als der Ernestinische
Kurfürst Johann Friedrich 1547 die Kurwürde an seinen
Albertinischen Vetter Moritz verlor. Nun schied Fritz aus dem
kurfürstlichen Dienst aus. Er hatte (ca um 1530) die Tochter
Sibille
des Benedix Leupken zu Ronneburg geheiratet
und wurde nun Bürgermeister von Ronneburg (1553) sowie
Wildenfelsischer Stadt- und Landrichter (1555).
Sein Sohn ist Hans Lemmel in Wildenfels,
dessen Nachkommen in Hartenstein als Weber und Steuereinnehmer bis
nach 1700 festzustellen sind.
Nebenbei: Dem Hans von der Planitz
gehörte auch ein
Rittergut in Auerbach im Vogtland, 25 km südwestlich von
Schneeberg.
1525 wurde er mit der Herrschaft Auerbach belehnt. Und hier lebte
wiederum ein Gewerke namens Hans Lemmel (†1541),
dessen Herkunft nicht belegt ist. Wahrscheinlich war er ein Urenkel
des Nürnberger Ratsherrn Hans Lemlein und somit ein Vetter
zweiten
Grades des Schneeberger Hans Lemmel. Ob die beiden Vettern in Kontakt
standen, geht aus den spärlichen Quellen nicht hervor. <Kinder
und Enkel lebten in Auerbach/V und als Bergmann/Steiger in
Platten/Graslitz. Weitere Nachkommen wurden nicht gefunden.>
4.
Hans Lemmels Söhne
Hans und Jakob in Schneeberg
Die Schneeberger
Regesten
von Ernst Költzsch, die 1534 einsetzen, erwähnen den
alten Hans
Lemmel, der aus Chemnitz nach Schneeberg gekommen war, und seine
beiden in Schneeberg lebenden Söhne Hans und Jakob. Bis
1538
ist Hans Lemmel mehrfach in den Kastenrechnungen erwähnt. Dann
muss
er gestorben sein, denn 1541 und 1543 erhielt die "Hans Lemlin"
je 1 gr 2 pf aus dem Kirchenkasten, wie es in der Liste der
"Hausarmen" verzeichnet ist. Hierzu meinte Ernst Költzsch,
dass in dieser Rubrik neben Zahlungen an Bedürftige
insbesondere
auch Zahlungen an Witwen verdienter Bürger verzeichnet sind.
Im
Jahre 1540 löste Jakob Lemmel einen Kirchenstuhl, vernutlich
den des
Vaters, der also wohl 1539 starb.
In den Schneeberger Urkunden
folgen die beiden Söhne:
der "Bergmann" Hans Lemmel, etwa um 1503 geboren, und der
um 1514 geborene Jakob Lemmel. Wenn in einer Urkunde das Wort
"Bergmann" steht, so kann das zweierlei bedeuten: Es kann
ein reicher Herr sein, der die Bergarbeiter bezahlt und das Erz
verkauft; es kann aber auch ein Arbeiter sein, der selbst ins
Bergwerk hinabsteigt und harte Muskelarbeit verrichtet. Die
Schneeberger Lemmel waren beides. Offenbar schickte der Vater seine
Söhne bereits im Alter von 12 Jahren ins Bergwerk hinunter,
damit
sie den Betrieb von Grund auf erlernten, wie aus der folgenden Geschichte ersichtlich ist.
Eines der Schneeberger Bergwerke hieß "der
Rappolt"; es war um 1490 von dem Nürnberger Handelsherrn
Friedrich
Rappold*) angelegt
worden. In einer Chronik
des Schneeberger Geschichtsschreibers Peter Albinus
heißt es: "1526
ist Jacob
Lemmel,
itziger Berggeschworener in
Schneeberg, damals ungefehr 12 Jahre alt, ins tiefste uffm Rappolt,
in die 34 Lachter
tief gefallen, und bey 3/4 Stunden gelegen. Sind seine Gesellen
ausgefahren und sich verkrochen. Ist ihm doch in solchem hohen Falle
nichts widerfahren, als daß er an dem linken Ohr
übelhörendt
worden." Später
wurde dieser
"übelhörende" Jakob Lemmel Knappschafts-Vorsteher und
Berggeschworener.
*) <In Nürnberg war Friedrich Rappolt in der Egidienstraße ein Hausnachbar von Caspar Lemlein, einem Vetter des jüngeren Chemnitzer Merten Lemmel. [Schulz: Nürnberger Bürgerhäuser, o.J., Bd.1 S.813] >
Es waren harte Zeiten. Zweimal gab
es in Schneeberg
Stadtbrände, in denen auch die Lemmel-Häuser
abbrannten: 1543 das
Haus von "Hans Lemmel Bergkman".
Darauf erhielt er 1544 aus dem "Kasten" 50 fl geliehen,
wofür er seine Erbschaft zu
Griesbach als Pfand einsetzte.
1568 ist "Jakob Lemmels
Haus bei großer Wehr verbrannt bis auf die Stuben".
.
Mehrmals gab es Pest-Epidemien. In
einer Chronik
heißt es unter der Überschrift: "Von Gottes
Wunder-Gerichten
bey Sterbensläufften": "Von
denkwürdiger Gottlosigkeit und Frevelthat einiger rohen und
losen
Pursche: Anno 1521 rumorte die Pest in Schneeberg also, daß
etliche
100 daran auffgerieben wurden. In der Pest-Zeit fanden sich einige
gute Schmauß-Brüder in Hannß Lemmels Haus zusammen, waren lustig
und guter Dinge, trieben also ohne Furcht der Seuche Tag und Nacht,
haben die ganze Sterbens-Zeit über gefressen und gesoffen,
lustig
und guter Dinge gewesen, und diese alle sind gleichwohl von der
Seuche unangetastet und lebendig geblieben."
Mehrfach wurden die
Brüder "Lemell" mit Fundgruben belehnt:
Jacob 1535 "nach dem Fürstenstollen", 1537 mit "St.Anna
am Mühlberg", 1544 "in der Walpurg". Hans 1543 "nach
Sankt Brigitta", 1549 "in unser lieben Frauen" und "in
der Sonne". Einmal wurden die Berggeschworenen Jakob Lemmel und
Siegmund Bräutigam als Sachkundige nach Eibenstock entsandt,
wo der
Bergmeister Stöltzel und der Annaberger Ober-Bergmeister
Marcus
Röhling 1571 einen Streit um eine Fundgrube zu schlichten
hatten.
.
Über den
wirtschaftlichen Erfolg der Familie ist nichts bekannt. Der
Höhepunkt
der Silberförderung war seit langem vorbei und die
Fördermengen
waren rückläufig. Trotz des langsam sinkenden
Wohlstandes wurde in
dieser Zeit (1516-1540) die St.Wolfgangs-Kirche gebaut.
Schneeberg. In
der Mitte die Sankt-Wolfgang-Kirche. 1567-1649 ist in Schneeberg der
Lemmermann-Stolln erwähnt (er mündet etwa in der linken
Bildecke), mit geringer Ausbeute an Silber und Kobalt. [Meltzer,
Historia]. War es der Stollen des Berggeschworenen Jakob Lemmel (†1577) ?
Die
Schneeberger Türkensteuerliste von 1542
enthält keinen Lemmel-Eintrag, da die
Bergwerke und Einwohner der Bergstädte durch eine besondere
Vergünstigung von der Steuer befreit waren. Auch Handel, der
von
Schneeberg ausging, war befreit. Erst 1558 zahlte Jacob Lemell im
Schneeberger Mühlviertel 1 fl 4 gr Türkensteuer und 3
fl 2 gr
Tranksteuerschuld.
Aus welchen Familien
die Ehefrauen stammten, ist leider unbekannt, mit einer Ausnahme.
1539, Dominica 9, heirateten in Joachimsthal "Hanns Lemmel von
Schneeberg und Margaretha, eine Tochter Paul Preyßkers".
Das war seine zweite Ehe, denn zu dieser Zeit hatte er schon
Söhne,
die die Lateinschule besuchten. Margaretha starb 1583 in Schneeberg.
Ihr Stiefsohn Hans Lemmel, der jetzt in Wien lebte, ließ eine
kunstvolle
Medaille mit ihrem Porträt
anfertigen (Abb.5).
Abb.5:
Porträt-Medaille Margaretha Lemlin, 1583
5.
Joachimsthal und
Oberwiesenthal
In
Joachimsthal gab es
1548 eine weitere Heirat: "Merten Lemmel aus Schneeberg".
Er muss ein weiterer Bruder von Hans und Jakob in Schneeberg sein.
Mertens Nachkommen sind in Joachimsthal, Kupferberg und
Oberwiesenthal bis zum 30-jährigen Krieg nachzuweisen.
Ein weiterer Bruder dürfte ein Valten Lemmel sein, den man in
Oberwiesenthal in den Jahren von 1540 bis 1547 als einen von 153
Gewerken findet. Das Bergamtsbuch, in dem er verzeichnet ist,
enthält
Steckschüsse vom Kaliber 12 bis 18 mm aus dem
30-jährigen Krieg.
Abb.6:
Das "Mundloch" (Stollen-Eingang) des Lämmel-Stollens in
Oberwiesenthal
Valten
Lemmel dürfte der
Namensgeber für den "Lämmel-Stolln"
bei Oberwiesenthal sein, der ab 1525 befahren wurde. Der Stollen,
dessen Eingang noch heute zu besichtigen ist (Abb.6), wurde um 1875
wieder entdeckt,
als das Ochsengespann eines Bauern hineinstürzte. Valten
Lemmel in
Oberwiesenthal hatte einen gleichnamigen Sohn, der 1570 heiratete und
14 Kinder bekam.
Aber im 30-jährigen Krieg sind wohl alle gestorben oder an
einen
unbekannten Ort geflüchtet.
In
Oberwiesenthal gab es
Beziehungen zu dem Hammerherrn Carol Frey, der 1547 als Teilhaber
einer "Nürnbergischen Gesellschaft" beurkundet ist. Er ist
ein Verwandter von Albrecht Dürers Schwiegervater Hans Frey
(†1523),
der in Schneeberg Kuxe besessen hatte.
Der
alte Hans Lemmel
hatte also fünf Söhne (siehe Tafel 3), wobei die
jüngeren Söhne
vielleicht aus einer zweiten Ehe stammten. Von etwaigen
Töchtern
berichten die Quellen nicht.
Tafel
3: Die Söhne des älteren Hans Lemmel in Schneeberg
6.
Schneeberg: Die Söhne von Hans und Jakob Lemmel
.
Von den Söhnen des
alten Hans Lemmel blieben in Schneeberg nur Hans, als Bergmann, und
Jakob, als Berggeschworener. Der Bergmann Hans Lemmel starb 1548 am
Ostertag.
Auf seinen Tod weisen auch weitere Einträge in den
Kastenrechnungen
hin: Dienstag nach Ostern wurde "14 gr Läutegeld wegen Hans
Lemmell eingenommen", und die Hans Lemmelin löste ihres Mannes
Kirchenstuhl um 5 gr. Dann wurde 1549 ein Spruchgeld von "18 gr
in Sachen Hans Lemmels Erben" verbucht. -- Sein Bruder Jakob
starb 1577: am 21.5. gab es "13 gr Läutegeld wegen Jacob
Lemmel".
Gleichzeitig wurde verzeichnet, dass Jacobs Kirchenstuhl von seinem
Sohn Hans Lemmel gelöst wurde.
Tafel
4: Der Bergmann Hans Lemmel und seine Söhne und Enkel
Tafel
5: Jacob Lemmel und seine Söhne und Enkel
Von
Hans und Jakob Lemmel
sind zehn Söhne bekannt geworden (Tafeln 4 und 5). Neun
besuchten
die Schneeberger Lateinschule, die bereits 1485 gegründet
worden
war, nun aber nach der Einführung der Reformation eine neue
Bedeutung erhalten hatte. In die Schule wurden aufgenommen:
1541/1542 Georg, Johann und Steffen Lemel, 1548 Joannes, Michael und
Paul Lemmel, 1556 Andreas, Christian und Steffen Lemmel. Aber von
diesen Lateinschülern starben fünf jung: Georg,
der ältere Steffen, Paul und Christian. Michel, der
Lateinschüler von 1548, starb 1566, nachdem er 1561 die
Wittenberger
Universität
besucht hatte. So blieben noch
.
Johann/Hans
und der
jüngere Steffen Lemmel, aus erster und zweiter Ehe des
Bergmannes
Hans, die als Kaufleute nach Wien gingen (siehe Kapitel 8 und Tafel
6),
.
Joannes/Hans,
der älteste
Sohn von Jakob, der als einziger in Schneeberg blieb und hier und in
Griesbach als wohlhabender Bäcker lebte (siehe Kapitel 7 und
Tafel
5);
.
Andreas,
Sohn von Jakob,
der 1573 Ratsapotheker in Aschersleben, dann 1578 Ratsapotheker in
Lüneburg (Abb.7) wurde, wo er am 30.11.1593 kinderlos starb;
.
sowie
ein jüngerer
Jakob, der in der Lateinschule nicht verzeichnet ist und der "aus
Schneeberg" nach Weißenfels ging und dort Ratsherr und
Kämmerer
wurde.
Abb.7:
Unterschrift von "Andreas Lemmel, Apotheker" in Lüneburg,
1580
Man
sieht, dass die Jugend sich neue Wege suchte, denn aus den Fundgruben
war nun nicht mehr viel zu holen.
Aus
den Rechnungsbüchern
sind gelegentlich auch Töchter ersichtlich. Am 1.12.1567
"verehrte
der Rat 6 Kannen Wein uf Jakob Lemmels Tochter Hochzeit", und
1556 gar "2 fl 9 gr für 18 Kannen Wein zur Bewirtung der
Fremden uf der Lemlin Tochter Wirtschaft". Der Weinmenge nach
muss es ein größeres Fest gewesen sein. Der Wortlaut
"der
Lemlin Tochter" meint eine Tochter von Hans Lemmels Witwe. Und
aus einem anderen Eintrag von 1556 ist hierzu auch der
Bräutigam
ersichtlich: "der Lemlin Eidam uff Marienberg Struntz",
leider ohne Angabe seines Vornamens. Die Struntz in Marienberg waren
eine prominente Gewerken-Familie, für die der Rat eine
großzügige
Bewirtung angemessen fand.
Und
am 19.5.1572 heirateten in Neustädtel Jacoff Gleser der
jüngere und
"Christina, Er Jacoff Lemmels Geschworenen von Schneeberg
Tochter",
diesmal ohne Bewirtung durch den Schneeberger Rat.
7.
Der Bäcker Hans Lemmel und seine Söhne Paul und Peter
.
Von
Jakobs Söhnen blieb
nur Hans in Schneeberg, der Lateinschüler von 1548 (Tafel 5).
Er
heiratete um 1556/1557, denn 1557 löste (seine Frau) "die Hans
Lemmelin" drei Kirchenstühle
und um diese Zeit wurde der Sohn Paul geboren. Pauls Mutter muss
gleich darauf gestorben sein, und der Vater heiratete wieder. Und
zwar heirateten am 4.12.1558 in Neustädtel bei Schneeberg
"Hans
Lemmel aus Griesbach" und Anna, Blasi Roselets Tochter aus
Schneeberg.
1566 wird in Schneeberg ein Meistergeld von 3 fl vom Bäcker
Hans
Lemmel verbucht.
Hinter der Berufsbezeichnung Bäcker verbirgt sich vielleicht
ein
Großkaufmann, der die vielen Bergarbeiter mit Brot und
anderem
versorgte. Er war jedenfalls ein wohlhabender Mann, denn er konnte seine
vier Söhne an die Leipziger Universität
schickte. Dabei half ihm freilich sein kinderloser Bruder, der
Ratsapotheker Andreas Lemmel in Lüneburg, von dem berichtet
wurde,
dass er seine studierenden Neffen unterstützte.
Aber von den vier Studenten ist bei zweien, Georg und Andreas, der
weitere Verbleib unbekannt.
Die beiden anderen, Paul und Peter, brachten es zum Baccalaureus.
Nach
seinem Aufenthalt in
Leipzig 1577 setzte Paul
sein Studium 1582 in Wittenberg fort. Darauf verehrte ihm 1584 die
Kämmerei in Schneeberg einen Betrag von 2 fl 6 gr, "dem Paul
Lemmel zu seinen Studien". Schließlich wurde er Baccalaureus
und wurde1589 für die Schneeberger Schule als "Tertius"
angestellt. Er erhielt auf ein halbes Jahr eine Besoldung von 22 fl
10 gr und 6 pf. Gleichzeitig löste er um 10 gr einen
Kirchenstuhl.
Am 9.11.1590 heiratete er in Schneeberg die Magdalena, Tochter von
Asmus Eckart. 1595 ging er als Pfarrer nach Breitingen, wo er 1614
starb. 1632 starb dort seine Witwe an der Pest, gleichzeitig mit dem
Sohn Paul, nachdem dieser 1629 in Wittenberg studiert hatte und nun
als Hauslehrer tätig gewesen war. Der die Pest
überlebende Sohn
Jakob
wurde Gastwirt und Ratsherr in Wittenberg, wo er 1642 starb.
Von
"Paulo Lemmelio
Schneebergensi" gibt es lateinische Gelegenheitsgedichte, die
gedruckt wurden. Eine solche Druckschrift
gab es anlässlich der Hochzeit seines Bruders Peter Lemmel mit
der
Tochter Susanne des Schneeberger Oberpfarrers Michael Musculus,
in Schneeberg am 20.9.1596. Darin findet man neben langen elegischen
Gedichten in lateinischen Versen auch einige Einzelheiten aus dem
Leben des Bräutigams. Der wurde am 4.7.1561 in Schneeberg
geboren,
erlebte 1568 den Brand seines Vaterhauses, wurde zunächst vom
Vater
(dem Bäcker Hans Lemmel) unterrichtet, bis er 1575 zu Rektor
Obermayer auf die Lateinschule kam und 1577 auf die Leipziger
Universität. Er war dann vorübergehend in
Meißen und am Gymnasium
in Pegau tätig und wurde schließlich Magister in
Jena. Gleichzeitig
mit seiner Hochzeit wurde Peter Lemmel, als Nachfolger seines Bruders
Paul, zum "Tertius" der Schneeberger Lateinschule berufen.
Dazu zahlte die Kämmerei
"2 fl 10 gr um Peter Lemmels Gerät von Pegau hierher zu
fuhren". 1597 erhielt er "12 gr wegen des Magister-Examens"
sowie 45 fl Sold. Und 1601 wurden "2 fl 6 gr dem Mag. Lemmel und
Cantor verehrt, daß sie eine Comediam agiret haben an der
Faßnacht".
1618 wurden "dem Conrector Mag. Lemmel" 81 fl 15 gr Sold
gezahlt. Und schließlich wurden am 30.1.1624 aus dem Kasten
20 fl
geliehen "uf Herrn Mag. Peter Lemmels Conrectors Begräbnis".
Außer einem Sohn, der gleich nach der Geburt starb,
hinterließ er
drei Töchter.
Nach
dem Tod seines
Schwiegervaters sind in einer Verzichterklärung
gegenüber den "Meußlischen Erben zum Schneebergk"
sein
Siegel und seine eigenhändige Unterschrift erhalten. Das
Siegel
zeigt ein Lamm-Wappen und die Buchstaben PL (Abb.8).
Abb.8a und b:
Siegel und eigenhändige Unterschrift des Magisters Petrus
Lemmel.
Rechts
Nachzeichnung des in der Fotografie schwer erkennbare Siegels.
8.
Hans und Steffan Lemmel
aus Schneeberg in Wien
.
Hans
und Steffan Lemmel,
die Lateinschüler von 1541 und 1556, die Söhne des
Bergmanns Hans
Lemmel aus erster und zweiter Ehe (Tafel 4), sind die letzten
Fernhändler der Familie. Über sie habe ich schon
andernorts
berichtet,
so dass ich mich hier kurz fassen kann. Hans wurde 1557 Bürger
in
Wien, und zwar als Hans Lembl, Kramer, wobei der Name Lemmel an den
Wiener Dialekt angepasst wurde. Er begann als kleiner Kramer,
erschien aber bald als ein wohlhabender Handelsmann und Hausbesitzer
im Zentrum von Wien. Um 1562 ehelichte er Ursula, die Tochter des
Wiener Ratsherrn Christoph Pirkheimer (†1574) und Schwester
des
gleichnamigen Rektors der Wiener Universität. Das ist eine
alte
Nürnberger Familie, aus der der berühmte Humanist
Willibald
Pirkheimer (†1530) stammte, aber der genealogische
Zusammenhang der
Wiener und der Nürnberger Pirkheimer konnte nicht erforscht
werden.
Im
Jahre 1583 ließ Hans
Lemmel sich von dem bedeutenden Renaissance-Künstler Severin
Brachmann eine künstlerisch wertvolle Medaille
anfertigen mit seinem eigenen Porträt auf der einen Seite, und
mit
dem Porträt seiner Frau Ursula Lemlin auf der anderen Seite
(Abb.9).

Abb.9a und b:
Portätmedaille Hans Lemmel, 1583, im Alter von 52 Jahren.
Auf
der anderen Seite seine Frau Ursula Lemlin geb. Pirkheimer.
1565
übernahm "Hanns
Lembell, Handelsmann, bürgerlich" das Haus seines
Schwiegervaters. 1574 wurde er als Nachfolger seines Schwiegervaters
in den Äußeren Rat aufgenommen. Zu dieser Zeit war
Wien großenteils
protestantisch, und Hans Lämbl wurde 1572 Kirchmeister der
St.Michaels-Kirche, in der protestantisch gepredigt wurde, direkt vor
dem Haupttor der kaiserlichen Hofburg.
Womit
er handelte, geht
aus den Urkunden nicht hervor. 1577 und 1585 sind zwei
Siegelabdrücke
von ihm erhalten. Die Zeichnung im Siegel sieht aus wie eine
Kaufmannsmarke, mit der Kaufleute ihre Waren kennzeichneten (Abb.10).
Abb.10: Nachzeichnung
des Siegelabdrucks von Hanns Lämbl, Wien 1577 und 1585 (in der
Fotografie kaum erkennbar)
Später
ließ er sich ein prunkvolleres Siegel machen, von dem ein
Abdruck
unter einer Stiftungsurkunde von 1592 im Wiener Schottenstift
erhalten ist (Abb.11).
Abb.11a, b, c:
Siegel Hans Laemmel, Wien 1592. Foto und ungefähre
Nachzeichnung.
Hans
Lemmels jüngerer
Halbbruder Steffan taucht 1579/1580 in den Wiener Urkunden auf, als
Bürger und Kramer. In einem Eintrag der Buchführung
des
kaiserlichen Oberkammeramtes ist ersichtlich, dass er mit
"Sürßtenwein" handelte. Damit ist Syracuser Wein aus
Sizilien gemeint, der damals ein beliebter Südwein war. Ob er
den
Wein bis nach Schneeberg verkaufte?
Hans Lemmel hatte
dem kaiserlichen Oberkammeramt gelegentlich Geldbeträge von
100 oder
300 Gulden geliehen, verbucht unter dem Titel "Entlehent
gelt so der Römischen Kayserlichen Majestät
fürgestreckt worden".
Das Geld der Protestanten war willkommen, doch Kaiser Rudolf der II.
verschärfte nun die Rekatholisierung, die 1579 zu offenem
Widerstand
der Protestanten führte. 5000 Bürger
strömten vor der Hofburg
zusammen, um eine Bittschrift zu überreichen. Dabei war einer
der
sechs Sprecher Stephan Lambl. Diese "Sturmpetition" blieb
ohne Erfolg, vielmehr wurden die Rädelsführer vor die
Wahl
gestellt, katholisch zu werden oder auszuwandern. Dazu wurde eine
Frist von fünf Jahren gesetzt, und genau nach Ablauf dieser
Frist
erschien Steffan Lemmel, offenbar als Flüchtling, in seiner
Heimatstadt Schneeberg und wurde als Ehrengast vom Rat bewirtet, der
"etliche Kannen Wein dem Steffen Lemmel aus Wien auf seiner
Wirtschaft" verehrte.
Seine Frau Margarete, deren Familienname nicht bekannt ist, starb
1585 in Wien.
Steffan selbst war 1590 noch einmal in Wien und erlegte dem
Oberkammeramt eine fällige Summe von 100 Gulden.
Wo er starb ist unbekannt.
Hans Lemmel ist 1601 gestorben,
noch in Wien. Töchter von Hans und Steffan heirateten zwischen
1595/1606 in Wien, die Söhne flüchteten in
evangelisch gebliebene
Grafschaften im Oberpfälzer Wald.
Hans Lemmels Sohn Martin Lämbl/Lemblein heiratete am 10.7.1605
im
Wiener Stefansdom eine Regensburgerin und zog dann fort. In der
Oberpfalz findet man ihn 1610 als Hammermeister in Moosbach und
zuletzt in Eslarn, einem Lobkowitzschen Besitz. Und Steffans Sohn
Hans Lembl wurde Leuchtenberger Hofmeister in Pfreimd. Die
Selbständigkeit ist vorbei, und sie mussten sich in die
Dienste
verschiedener Herren verdingen. Unter den Nachkommen, die
schließlich
doch katholisch wurden, finden wir unter anderen: Michael Deodat
Lemel († vor 1737), um 1700 Lobkowitzscher Verwalter im
niederschlesischen Fürstentum Sagan, seinen Bruder Sebastian
Lembl/Lemmel (†1725), kaiserlicher Leiblakai bei drei
Kaisern in
Wien, sowie Georg Jakob Lembl (†1753), Klosterrichter in
Gnadenberg
und Neumarkt in der Oberpfalz.
ENDE
Fußnoten:
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