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Poldi (Gotthold) Lämmel - Musiker in Rostock

Gotthold Lämmel wurde am 19.9.1930 in Neukirchen bei Chemnitz als Sohn des Strumpfwirkers Fritz Lämmel geboren. Er wurde Elektromeister, fand aber als Musiker so großen Beifall, dass er mit seinem Ensemble in der DDR als prominenter Musiker galt, der sogar ins Ausland reisen durfte. Sein Künstlername war Poldi Lämmel, da man seinen echten Vornamen Gotthold unpassend fand. Seine Lebenserinnerungen sind ein wertvolles Zeitdokument. Hier ein Ausschnitt daraus, der in " lemlein filii " Heft 6 (2001) abgedruckt wurde. Poldi starb 2004.
              

Die seltsamen Reisen des Musikers Poldi Lämmel

Leseprobe:

... man hatte sich schon daran gewöhnt, daß die "Vier tiefen Instrumente" immer zusammen wohnten. Das waren: Die zwei Posaunen Bernhard (Ike) Suffner, Hubert Katzenbeißer, natürlich ich als Baß und das Baritonsaxophon Günter (Teddy) Tröger. Er spielte zwar keinen Baßschlüssel, aber er konnte seinem Sax solche schönen tiefen Töne entlocken, daß er einfach zu uns gehörte.

Der erste Reisepaß

Nun stand die nächste Reise ins Haus. Es mußte aber erstmal ein Reisepaß beantragt werden. Wir waren überglücklich, als wir ihn in den Händen hielten, und wir glaubten, daß damit nun alle unsere Probleme gelöst sind. Es sollte sich aber später noch als sehr trügerisch herausstellen.

Ab ins Ausland

Die erste Reise ging nach Polen und das war gar nicht so einfach, denn es gab damals mit Polen noch kein Tourismusabkommen und so mußten erstmal allerhand bürokratische Hürden genommen werden, aber dann ging es endlich los.

Wir saßen nun im Zug. Mit dabei war der damals in der DDR bekannteste Sänger: Fred Froberg. Das spannende an dieser Reise war eigentlich: wie wird man uns begegnen? - denn der Krieg lag gerade mal 12 Jahre zurück und da war ja bekanntlich in Polen allerhand "Porzellan" zerschlagen worden. Unser Ziel war Warschau. Gleich nach der Grenze stieg (so war es vereinbart) ein Mitarbeiter von "Radio Warschawa" ein. Es war Waclaw Czibylski, ein Sprecher vom polnischen Rundfunk, und er sprach ein ausgezeichnetes deutsch, so daß die von uns allen gefürchtete Sprachbarriere erstmal überbrückt war.

Wir fuhren nun zum Sender und wurden dort sehr herzlich begrüßt. Da kam dann auch noch die zusätzlich engagierte Sängerin aus der BRD "Rene Franke" dazu. Nun wurde der Tourneeplan durchgesprochen.

Geplant war eine Tournee durch ganz Polen. Es war eine Quizsendung mit dem Titel "Komu Domek" (wer will ein Haus). Es wurde tatsächlich ein Haus verlost. Der zweite Preis war eine Reise nach Paris. Für uns wäre das zwar undenkbar gewesen, aber die Polen konnten wirklich so eine Reise antreten, wenn sie wollten. Wir wunderten uns, daß es ausgerechnet Paris war, aber Waclaw Czibylski erklärte uns das. Er sagte, daß sich ein Pole nicht unbedingt nach Rom oder New York sehnt. Nun ja, räumte er ein, Rom schon eher - wegen des Papstes, aber das größte Ziel für fast jeden Polen ist und bleibt Paris. Vielleicht lag es an der uralten Tradition, daß sich viele Polen erst in Frankreich so richtig entfalten konnten wie zum Beispiel Frederic Chopin oder Madame Curie - eine geborene Sklodowska.

Ja, unser Waclaw erzählte viel über Polen, auch, daß er ein begeisterter Jäger ist und daß es hier noch alles gibt, was ein Jägerherz erfreut. Dachse, Wölfe, auch Bären. Allerdings sagte er: Wenn du Wolf oder Bär willst, dann kannst du nicht machen mit "Windgewehr". Wie wir später erfuhren, ist das deutsche Wort "Luftgewehr" in der wörtlichen polnischen Übersetzung tatsächlich ein Windgewehr. In jeder Fremdsprache lauern eben so gewisse Tücken. Wir wissen ja, daß Chinesen kein "R", die Franzosen kein "H" können und daß wir als Deutsche im Russischen immer durch ein total falsch ausgesprochenes "Jerö" auffallen. Bei den Polen ist dieser Haken eben das "Ü", und so freuten wir uns schon jeden Abend darauf, wenn er am Bus sagte "Morgenfrie zehn Uhr, aber pinktlich!"

Alles in Allem war es eine sehr interessante Reise. So gelangten wir auch nach Rzeszow. Eine Stadt im südöstlichsten Zipfel von
Polen. Als wir dort im Hotel ankamen, warnte uns der Portier. er sagte: "Wenn Sie heute noch ausgehen möchten, gehen Sie bitte nicht
allein, immer nur in Gruppe, drei-vier Mann, denn es ist Winter und Wolf kommt bis in Stadt." Wir sind dann trotz allem noch
ausgegangen und hatten keinen Wolf getroffen, aber die Warnung hatten wir schon ernst genommen.

Wunder über Wunder

In Warschau wohnten wir dann im ersten Haus am Platze, aber da war es mir einfach zu steril. Ich wollte Menschen kennen lernen. Die einzige Bedingung, daß sie deutsch konnten. So zog ich mutterseelenallein durch die Straßen. Bis ich den Mut gefaßt hatte, einen Passanten anzusprechen und zu fragen, ob er deutsch spricht. Ich hatte Glück, er konnte. Wir machten uns erstmal miteinander bekannt. So erfuhr er, daß ich Musiker bin, und er sagte, daß er beim Landwirtschafts-Ministerium beschäftigt ist. Er war etwas älter als ich und erzählte, daß er ein ehemaliger Partisan war und nach dem Krieg zur Polizei geholt wurde und seinen Sitz im Innenministerium hatte. Nun war er übergewechselt zum Landwirtschaftsministerium. Als ich ihn fragte, ob das nun besser wäre, lachte er: "Natürlich ja. Erstens habe ich ein Diplom als Gartenbau-Architekt und außerdem hat das noch einen Vorteil. Wenn nämlich Revolution kommt, hängt man die Leute vom Innenministerium auf - Landwirtschaft braucht man immer." Nun hatte ich meine erste polnische Lektion weg und bestaunte ihn, daß er immer noch frei herumläuft. Man sah das alles in Polen nicht so tierisch ernst.

Es sollte aber noch besser kommen. Wir gingen, obwohl es kalt war, durch die Straßen spazieren und er lenkte mein Interesse immer wieder auf gewisse Bauwerke, z.B. einen Bahnhof, eine Kirche oder irgend ein anderes Gebäude, und immer sagte er dazu: "War alles weg. Hatten alles die Deutschen kaputtgemacht, aber ist nun alles wieder neu." Mir war eigentlich die ganze Situation äußerst peinlich und deshalb erklärte ich ihm, daß ich zum Kriegsende noch nichtmal 15 Jahre alt war und natürlich an diesem Elend keine Schuld haben kann. Daraufhin lenkte er ein und gab mir zu verstehen, daß er mir das nicht gezeigt hätte, um mich als Deutschen zu demütigen, sondern er wollte mir nur klarmachen, daß die polnischen Menschen nicht ungeschickt oder gar faul wären. Mit dieser Erklärung konnte ich nun leben und so lud ich ihn ein, mit mir ein paar Gläschen zu trinken. Geld hatte ich ja genug.

Er lotste mich dann zu der berühmten Warschauer Gaststätte "Krokodil". Ich weiß es nicht mehr ganz genau, aber ich glaube es waren 60 oder gar 70 Stufen, die man hinuntersteigen mußte, um in dieses Restaurant zu gelangen. Nachdem wir uns beraten hatten, waren wir uns dann einig geworden, daß ich Ölsardinen auf Eis mit Zitrone und eine Flasche Wodka bestellen werde. Es gesellte sich dann noch ein weiterer Pole an unseren Tisch. Er sprach ein ganz ausgezeichnetes deutsch und als ich fragte, wo er diese Sprache so gut gelernt hat, sagte er: "In Deutschland - ich war im KZ." und er zeigte mir seine eintätowierte Nummer. Ich stammelte daraufhin wieder mein Verslein herunter, daß ich ja schließlich am Kriegsende noch nichtmal 15....und, und. Worauf er seinen Aufenthalt im Lager derartig bagatellisierte, daß mir das ganze Gefasel schon etwas peinlich wurde und ich nur auf einen baldigen Themenwechsel hoffen konnte, und dieser kam sehr bald.

In einer Ecke fing eine Gruppe von Gästen an zu singen, dabei erhoben sich alle Anderen von den Stühlen, und da ich noch saß, machte mir mein Gegenüber durch eine Geste eindeutig klar, daß ich aufstehen sollte. Obwohl ich nicht wußte warum, so erhob ich mich doch. Erstens war man ein wohl erzogener Bürger und außerdem hing ja immer das "Damoklesschwert" über uns allen - einmal im Ausland vorbeibenehmen und es wäre die letzte Reise gewesen. Als dann der Spuk vorbei war, wollte ich nun gerne wissen, was es zu bedeuten hatte. Man erzählte mir dann, daß das die alte Hymne war, die Hymne der Exilregierung, welche damals ihren Sitz in England hatte. Ich habe zwar gelacht, aber ich kam einfach von dem Gedanken nicht mehr weg: wenn z.B. in der DDR irgend jemand das Deutschlandlied gesungen und dabei noch einen Ausländer zum Aufstehen genötigt hätte? Ich glaube, den Ausgang dieser Situation zu erläutern, kann ich mir sparen. In Polen tickten die Uhren eben anders.

Wir hatten allerhand Geld verdient, aber wir wußten noch nichts darüber, wie das mit dem Umtausch wird. Der Zloty stand damals im Verhältnis 5,3 : 1. Man hatte uns aber gesagt, daß wir vorerst mit dem Geldausgeben etwas vorsichtig sein sollen, denn es könnte sein, daß wir den Botschaftskurs in Anspruch nehmen können. Dann hätten wir für eine Mark nur 1.8 Zloty zahlen müssen. Leider kam dann die Nachricht, der Tausch findet nicht statt - ihr müßt einkaufen! und das war für uns immer noch günstiger als den anderen Kurs anzunehmen.

In Polen gab es viele Dinge von welchen wir träumten, und außerdem war vieles viel preiswerter. Also begann man nach allem, was man kaufen könnte, Ausschau zu halten. Es wurden erstmal eine Kiste amerikanische Zigaretten, eine Kiste Nescafé, etwas Porzellan und natürlich auch wieder einige Gläser Gewürzgurken gekauft. Da es nun kurz vor Weihnachten war, bot es sich an, auch noch ein paar Gänse mitzunehmen. Ich dachte mir, das hebe ich mir bis zuletzt auf, denn damals war Polen ja noch ein reines Agrarland, und so hatte ich hier nicht die geringste Sorge, auch im letzten Moment noch eine Gans zu bekommen. In der Nähe unseres Hotels befand sich so ein Geflügelgeschäft. Das hatte ich mir schon "ausgeguckt". Was ich aber nicht wußte, war der Umstand, daß dort (durch die Nähe zum Hotel bedingt) alle Leute von unserem Programm schon mächtig eingekauft hatten. Als ich dann später mit größtem Optimismus den Laden betrat, sah ich keine Gans oder Ente. Auf meine Frage hin, ob es denn keine Gänse mehr gäbe, bekam ich dann die schreckliche Antwort: "Nima. Die Deitschen war'n da." Es klang wie im Krieg. Ein Stück weiter habe ich dann aber noch meine Gänse bekommen.

Ins Fettnäpfchen getreten

Nun rüsteten wir zur Heimreise. Instrumente, Koffer und Kisten waren verladen. Auf dem Bahnsteig hatten sich viele Menschen zur Verabschiedung eingefunden und jubelten uns zu. Als sich dann der Zug in Bewegung setzte, nahmen wir die Instrumente und spielten den Marsch "Muss i denn, muss i denn zum Städele hinaus". Wir hatten uns eigentlich gar nichts dabei gedacht. Für uns war das ein ganz normales Volks- oder Wanderlied. Plötzlich sahen wir nur noch erstarrte Gesichter. Wir hörten sofort mit dem Spielen auf. Nun fiel uns ein, was wir falsch gemacht hatten. Mit diesem Marsch wurden ja während des Krieges alle "Heimaturlauberzüge" der Wehrmacht verabschiedet und dieses lag ja nur 12 Jahre zurück. Diese Erinnerung war einfach zu hart. Es war alles sehr peinlich, aber nicht mehr zu ändern. Wir wußten aber, daß wir mit diesem Marsch die fast unendlich erscheinende Kulanzbereitschaft der Polen eindeutig überzogen hatten.

Traumland Österreich

Wir waren nun wieder zu Hause. Aber nur ein paar Tage, denn nun begann die Fahrt nach Österreich.

Es ist eigentlich klar, wenn ein Mensch die Musik zu seinem Beruf macht, daß er immer dann arbeiten wird wenn Andere feiern, und ich hatte auch noch nie einen Musiker jammern hören, weil er am Sylvesterabend oder zu seinem eigenen Geburtstag spielen mußte. Nur in diesem Jahr war es etwas ungewöhnlich. Die Reise begann am 24. Dezember schon um die Mittagszeit. Für einige und auch für mich war das nicht unbedingt umwerfend. Aber für diejenigen welche Kinder zu Hause hatten, war es schon ganz schön hart. So kam es dann auch, daß wir im Zug in einer ziemlich bedrückten Stimmung saßen, aber nach kurzer Zeit kam langsam eine bessere Laune auf. Unser Pianist hatte so einfach aus Spaß an der Freude ein Quartett geschrieben. Es war das Lied "0 Tannenbaum, o Tannenbaum". Nun zogen wir los mit 2 Trompeten, Posaune und Tuba. Unser Schlagzeuger öffnete immer die Tür zum nächsten Abteil und machte eine kleine Ansage in etwa: "Einen rechtschönen Guten Abend. Wir wünschen Ihnen ein gesundes Weihnachtfest" und dann begannen wir zu spielen. Dann kam auch schon der zweite Titel "Stille Nacht heilige Nacht" und man sah es den Leuten an, daß es ihnen gefiel - ja manchem sogar eine Träne über die Wange kullerte. Selbst der Zugschaffner, welcher ja eigentlich für die Einhaltung der Reichsbahn-Vorschriften zuständig war, sagte "Nach den Richtlinien der Bahn ist musizieren im Zug verboten. Aber heute ist Heiligabend und ihr macht das so schön, daß wir heute einfach die Vorschriften außer Kraft setzen". Aber eine Bedingung hing daran. Wenn der Zug in Jena hält, sollten wir auf dem Bahnsteig ein Ständchen für den Bahnhofsvorsteher bringen. Das war ein ehemaliger Schulfreund von ihm. So kam es, daß der "Interzonenzug" in Jena mit 9 Minuten Verspätung abfuhr, und so etwas war äußerst ungewöhlich. Als wir dann über die Grenze fuhren, war der nächste Halt in Bebra. Dort hatte sich ein großer Chor aufgestellt und da nun auch schon weitere Noten fertig waren, konnten wir mit dem Chor gemeinsam den Choral "Es ist ein Ros' entsprungen" spielen. So hatten wir nicht nur unsere gedrückte Stimmung aufgebessert, wir hatten auch vielen Menschen doch ein bißchen Festtagssimmung in den Zug gebracht.

Wir fuhren dann bis München, und von dort ging es mit dem Bus weiter in Richtung Österreich. Der Busfahrer legte ein Band auf mit bayrischer Volksmusik. Diese Schnaterhüpferl und Ländler waren ja nun eigentlich nicht gerade unsere Stilart, aber nach und nach kam doch Stimmung auf, denn diese Musik paßte ideal zur Landschaft, durch welche wir nun fuhren. Da fiel uns ein, daß wir auf eine regelrechte Katastrophe zusteuern. Wir mußten nämlich am 2.ten Weihnachtstag in Wien in einer Fernsehsendung auftreten, dann zurück nach München und Sylvester wieder nach Österreich nach Salzburg. Wir mußten also zweimal ein- und ausreisen. Alles war vertraglich abgesichert aber wir hatten in unserem Paß nur "ein" Visum. Was tun? Als wir dann an die Grenze kamen, stieg unser Chef aus und verhandelte erstmal mit den österreichischen Grenzern. Das Problem wurde ganz schnell behoben. Der Zöllner sagte: "Jetzt mach mer ann Stempel, jetzt sanns jo da, und wenns dann rausfohrn, mach mer kein. Wenns dann wiederkomm, brauch mer kann machen, denn dann sinds ja wieder da, und wenns dann wieder raus fohrn, dann mach mer den Zweiten." So einfach konnte man also ein Problem aus der Welt schaffen. Oft, noch viel später, wenn wir manchmal vor einer fast unlösbaren Aufgabe standen, welche dann wider Erwarten doch klappte, hiess es immer: das war wiedermal die einfache österreichische Lösung.

Einen kleinen Haken hatte die Angelegenheit aber doch. Wenn ich z.B. in München, aus welchen Gründen auch immer, totgegangen wäre, so hätte die Polizei danach suchen müssen, wie man meine Leiche über die Grenze gebracht hätte, denn nach den Eintragungen in meinem Pass befand ich mich ja in Österreich. Es ist zum Glück alles gut abgelaufen, aber die Story von der Grenzkontrolle werde ich wohl mein ganzes Leben nicht vergessen.

Aber nun waren wir ja erstmal in Wien und diese Stadt ist eine Reise wert. Leider war aber so wenig Zeit, dass alles im Zeitraffertempo an uns vorüberzog. Einquartiert wurden wir im "Hotel Schweiger" im 4. Bezirk in der Schikanedergasse. Dann ging es zur Probe in irgendein Theater, welches dem österreichischen Fernsehen als Studio diente. Wir waren uns im Vornherein im Klaren, dass wir auf Grund der Kürze unseres Aufenthaltes von Wien nur wenig zu sehen bekommen werden. So versuchten wir unsre freie Zeit so gut wie möglich zu nutzen. Es war also eine Pflichtübung, dass man den Stephansdom wenigstens einmal aus der Nähe gesehn hat. Am Abend besuchten wir dann ein Restaurant, in welchem sich die Elite der Musiker von Wien zusammen gefunden hatte. Ich weiss nicht, ob ich das richtig schreibe? Dem Klang nach hiess diese Gaststätte "Fetty Schorch". So lernte man viele, viele Menschen kennen. Dort trafen wir auch den berühmten österreichischen Musiker Friedrich Gulda.

Wir mussten aber leider sehr bald wieder in das Hotel zurück, denn am nächsten Tag fand die Sendung statt. Trotz der Kürze der Zeit hatte man aber doch die Möglichkeit einiges zu erleben. Man sollte es fast nicht glauben, obwohl Österreich ein deutschsprachisches Land ist, gab es doch einige Unterschiede. Es war nichts Schlimmes - es war eben einfach anders. Da gab es zum Beispiel im Postamt keine Briefmarken. Die erhielt man im Trafic-Laden. Der Kaffee war so stark, dass wenn man ihn ausgetrunken hatte, innen die Tasse richtig braun gefärbt war; deshalb bekam man auch immer dazu ein Glas Wasser serviert.

Es gab da noch eine lustige Begebenheit. Ich weiss nicht, ob das heute noch so ist. Jedenfalls bestand damals in der Stadt Wien ein generelles Hupverbot für alle Autos, aber die Wiener hatten sich da etwas ganz gewitztes einfallen lassen. Man klemmte die Hupe ab und dann wurde eine ganz einfache Türklingel installiert. Damit war das Verbot umgangen, denn mit einer Klingel kann man logischerweise nicht hupen und so klingelte man sich durch die Stadt. Aber auch im Hotel gab es eine Besonderheit. Wenn man nach 24 Uhr dort an kam, war die Tür geschlossen und man mußte läuten. Dann kam der Portier, schloß auf, und sagte: "Darf ich die Herrschaften um einen Schilling Schließgeld bitten". Das kannten wir nun alle nicht. Fanden es aber irgendwie lustig. Außerdem war dieser Preis sowieso nur mehr eine Geste, denn 1 Schilling entsprach damals dem Wert von 16 Pfennigen (West).

Zum Hotel muß ich noch etwas erwähnen. Wenn wir zum Beispiel in der DDR oder auch anderswo in ein Hotel kamen, so mußten wir zwar wie jeder normal Sterbliche ein Anmeldeformular ausfüllen, aber von uns verlangte man doch niemals einen Ausweis. Wir waren ja das berühmte Orchester Fips Fleischer. Einigemal passierte es aber doch, daß einer zur Rezeption gerufen wurde. Es war immer der Gleiche - einer unserer Posaunisten. Die Leute hatten sich beim Durchlesen der Formulare wohl irgendwie verschaukelt gefühlt und das Erstaunen war dann jedesmal groß, wenn er seinen Ausweis vorlegte - Er hieß tatsächlich Katzenbeißer. Ich schreibe das nur, weil man in Österreich gar nicht besonders darauf reagierte, denn dort gibt es diesen Namen ziemlich häufig. In Deutschland gibt es zur Zeit den Namen nur zweimal, das heißt als Telefon-Teilnehmer nur zwei.

Am dritten Tag mußten wir leider schon wieder abreisen, denn wir hatten noch ein paar Verträge im Umfeld von Nürnberg und München abzuarbeiten. Dann fuhren wir (wie schon angekündigt) zurück nach Salzburg. Dort spielten wir dann im "Parkhotel Mirabell" anläßlich einer exklusiven Sylvesterparty. Wir haben zwar musikalisch das Beste gegeben und haben uns nichts anmerken lassen, aber die Stimmung war doch etwas getrübt. Weihnachten nicht zu Hause und nun auch noch am letzten Tag im Jahr. Da war nun das Maß wirklich voll. Das drückte sich schon dadurch aus, daß keiner von uns an diesem Abend etwas trank, was ja eigentlich bei Musikern verdammt selten vorkommt, denn Wein, Weib und Gesang sind für diese Berufssparte nicht gerade Fremdworte. Aber in diesem Fall dachten alle nur an zu Hause.

Der Platz auf dem Pulverfaß

In der Heimat angekommen, wurde nun erstmal richtig nachgefeiert. Dazu hatten wir ja nun genügend Zeit, denn der Monat Januar war immer schon für das Musikgeschäft eine ungünstige Durststrecke. So hatten wir also nur ein paar vereinzelte Verträge. Im Februar ging aber dann wieder so richtig die Post ab. Da kamen dann die Faschingsfeiern und viele andere Dinge. So wurde es nun langsam März. Ende März fuhren wir dann wieder in Richtung BRD, denn ab 1. April hatten wir von einer Agentur einen Vertrag ganz anderer Art erhalten. Wir fuhren nun nach Ramstein....


(Mir ist nicht bekannt, ob es noch zur Veröffentlichung eines Buches mit Poldi Lämmels Lebenserinnerungen gekommen ist. Poldi Lämmel starb 2004.)

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