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Roy Lämmel  – Buchautor an der Universität Leipzig


Geboren 1979 in Zschopau. 2010 an der Universität Leipzig.


[www.archiv.uni-leipzig]

•  Roy Lämmel: Kirche und Vereine im 19.Jh. Hauptseminararbeit der Theol. Fakultät der Univ. Leipzig, 1.Aufl. 2005, Grin-Verlag, Druck: Norderstedt.

•  Roy Lämmel: Zins und Wucher im Mittelalter. 2007, Grin-Verlag.

•  Roy Lämmel: Der 17.Juni 1953 und der Herbst 1989. Ein (un)möglicher Vergleich? - 2007, 68 Seiten.

•  Roy Lämmel: Kurfürst August und die Universitätsreform von 1580 in Kursachsen. 2007, Grin-Verlag.
[Internet]

Weiteres siehe Wochenendbeilage der Freien Presse 17.6.2017:
 >Wolkensteiner findet "Neue Flamme" in den Emiraten. Über die Wolken muss sich der Wolkensteiner Roy Lämmel begeben, wenn er in seine neue Heimat will, in die Arabischen Emirate. Dort arbeitet er als Feuerwehrmann, obwohl er eigentlich Historiker ist.<

Über die Wolken muss sich der Wolkensteiner Roy Lämmel begeben, wenn er in seine neue Heimat will, in die Arabischen Emirate. Dort arbeitet er als Feuerwehrmann, obwohl er eigentlich Historiker ist.
Kürzlich war er mal wieder in seiner Heimat, in Wolkenstein im Erzgebirge, dann ging es noch für ein paar Urlaubstage nach Schottlsnd, und dann zurück - mit der Fluggesellschaft Emirates in die Wüste, könnte man sagen. Mittlerweile sind uns die Länder am Golf nicht mehr so unbekannt, das Öl macht's möglich und der Tourismus auch. Doch der Historiker Roy Lämmel hat seit längerem und für längere Zeit seinen Lebensmittelpunkt in den kleinen Wüstenstaat Fudschaira verschoben. Das hat mit einer gewissen Unruhe und einem Zufall zu tun.

Geboren 1979 inZschopau, aufgewachsen im Städtchen Wolkenstein. Damals noch zu DDR-Zeiten gab es am alten Flughafen Schönefeld in Berlin eine Werbung: Über den Wolken nach Wolkenstein. Man konnte nach Karl-Marx-Stadt fliegen, dann war man mit dem Bus bald in dem Ort mit der hoch aufragenden Burg, mit den Gassen, die sich um den Marktplatz und die Postmeilensäule drängen: Wolkenstein, die romantische Provinz. Dort wuchs er auf, der Vater Handelsvertreter für Werkzeuge, die Mutter Schwester im Pflegedienst. Schule von 1986 bis 1992, dann Gymnasium Marienberg. Leben dann schon in dem neuen Deutschland, Wehrdienst in Rotenburg/Fulda, Unter- offizier.


So weit, so gut. So wuchsen viele seiner Altersgenossen in ihre Welt. Aber da war noch etwas, das den Jungen schon früh interessierte. Vielleicht hing das zusammen mit der Burgkulisse, dem Schloßberg, den Zeichen der Vergangenheit. Er wuchs auf in einem gegenständlichen historischen Raum. So entschloss er sich, Geschichte zu studieren. Es gab auch ein einjähriges Intermezzo: Studium der Wasserwirtschaft in Dresden, doch das war es nicht, was er wollte, obwohl das Wasser später ein Lebensbegriff werden sollte. Studium in Leipzig also, mittlere und neuere Geschichte, auch Archivwissenschaft und evangelische Theologie, weil ihn die Kirchengeschichte interessierte. Nun ging es los, das Leben als Archivar, als Historiker, eine Zeit im Landeskirchenarchiv Düsseldorf, dann im Universitätsarchiv Leipzig. Doch da sollte es ein Ereignis geben, das ihn bewegte.

In Köln war das Stadtarchiv eingestürzt; wie konnte man in so einer Situation handeln? Roy Lämmel entwarf für das Leipziger Archiv einen detaillierten Notfallplan. Zum ersten Mal nützte ihm seine Feuerwehrerfahrung ganz direkt. Der junge Historiker blätterte ja nicht nur in alten Akten. Er war auch Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr in Wolkenstein. Vielleicht zunächst ein wenig der Tü-ta-ta-Wunschberuf kleiner Jungen mit ihren Spielzeugautos. Tatsächlich war er zur Feuerwehr ganz zufällig gekommnen, es ergab sich durch ein beiläufiges Gespräch in einer Disko. Der heutige Wehrleiter in Wolkenstein suchte Nachwuchs seiner Generation, so wurde Roy Lämmel Feuerwehrmann. "Die Aufnahme war herzlich, die Zeit sehr lehrreich, und ich wurde gefördert und unterstützt; Jugendwart für zwei Jahre", erzählt er lächelnd. Doch im Hauptberuf stieg ihm der Aktenstaub in die Nase. Nachlässe, Dokumente, Urkunden, eben doch ein Leben aus zweiter Hand. Sollte das so weitergehen bis ins Rentenalter? Leipzig und die alte Geschichte?


Immer stärker wurde der Wunsch, ein Stück Welt zu sehen, eine andere Existenz zu leben. Die alte deutsche Sehnsucht nach dem Süden, nach Italien, aber wie konnte man dort existieren? Also suchte er auf der Landkarte. Vielleicht gab es eine Möglichkeit, andere Länder zu erleben? Und er hatte tatsächlich Glück. Ein Kamerad aus der Freiwilligen Feuerwehr Leipzig, zu der er mittlerweile gehörte, ging in die Emirate. Feuerwehrmann in den Emiraten, war das nicht ein bisschen verrückt?

So sahen es sicher manche, aber Roy Lämmel bewarb sich und wurde genommen. Dann stieg er ins Flugzeug und kam in Fudschaira an. Freilich, er wusste, was ihn erwartete. Es war eine Landschaft ganz gegensätzlich seiner erzgebirgischen Geburtsheimat: weite Ländereien, Wüsten und Wadis, die ausgetrockneten Flussläufe; kalkweiße Städtebauten, Hochhäuser; das Meer und die Straße von Hormus, eine Meerenge, um die Ecke. Fudschaira ist eines der kleinsten Emirate, nicht viel größer als dasSaarland, und die Hafenstadt Fudschaira oder englisch Fujairah mit gut 100.000 Einwohnern hat dem Staat den Namen gegeben. Bei den Emiratis gibt es ausschließlich Berufsfeuerwehren. Dazu sollte er nun gehören, als Ausbilder. Und auf die Frage, was sie denn so machen, lächelt Roy Lämmel ein wenig und erzählt: "Wir machen das, was überall auf der Welt eine Feuerwehr macht, also Brandbekämpfung, technische Hilfe bei Verkehrsunfällen, Unterstützung des Rettungsdienstes. Wir haben 24 Stunden Dienst und dann zwei Tage frei." Die Technik kommt wie so manches andere auch aus Europa, aus Deutschland und Österreich. Ach ja, einen Unterschied gibt es schon: "Wir haben Tankfahrzeuge für das Löschwasser, denn es gibt kein flächendeckendes Wassernetz."

So vergehen die Tage, Arbeit und Freizeit. Wunderbar ist es, dass er tauchen kann, das Wasser, die bunte Welt am Golf. Ein bisschen Kraftsport; zudem liest er gern, Thomas Bernhard, der ironische Zeitwanderer, ist ein Lieblingsautor. Die Abende in der eigenen Mietwohnung, manchmal ist das aber auch einsam, denn der Kontakt zu den Emiratis beschränkt sich zumeist auf die Arbeit. "Die Jungs sind sehr offen und freundlich", sagt Roy Lämmel, aber sie sind kein Gast in diesem Land. Sie leben dort.

Aber langsam lebt auch der Gast sich ein, wenn er mit dem Geländewagen durch die Wüste fährt. Ins Hadschar-Gebirge hinaus rollt oder Ausflüge an die Strände unternimmt. Und wenn er die alten Gemäuer der Festung und Wehranlagen besichtigt, das Fudschaira Fort von 1670 aus Lehmziegeln errichtet, weiß Gott, denkt er da manchmal: Geschichte aus erster Hand. Das war es ja, was er einstmals wollte. Und in seiner Umgebung: Alles ist nobel, modern, die Emirate sind ja keine verdreckten Wüstengegenden aus den Büchern von Livingstone und Stanley, es sind moderne Städte. Und man lebt dank des Öls nicht schlecht. Das Salär als Feuerwehrmann sei nicht zu verachten.

Doch das Geld ist nur ein Teil dieser Existenz. "Die Arbeit scheint mir sinnstiftend, die Zusammenarbeit auf der Schicht ist hervorragend. Man sieht die Fortschritte bei den Einheimischen. Dieses Leben ist abwechslungsreich, mitunter fordernd, mitunter entspannt", sagt er nachdenkend, und nachdenklich fügt er hinzu: "Wie lange ich hier bleiben werde, ich weiß es noch nicht."

Dieser kleine Wüstenstaat ist ja so etwas wie ein Flugplatz, von hier aus über den Wolken nicht allein nach Wolkenstein, sondern in die Welt. Und wenn Roy Lämmel ein paar Tage weg ist, in seiner Heimat in Wolkenstein, oder in Schottland, dann denkt er schon wieder an seine Feuerwache in Fudschaira, an seine Kumpels, die auf ihn warten, die ihn lachend begrüßen, wenn er zurückkehrt.

Die Welt ist nicht nur von Kriegen und Terror besetzt. Sie kann sehr schön sein, auch im Wüstensand und in den Felsen der Gebirge. Und das Löschen von Feuern, der Einsatz des eigenen Lebens für das Leben anderer ist ein Stück schöner Menschenwelt, "sinnstiftend", wie der Historiker und Feuerwehrmann Roy Lämmel sagt.

 

Dieser Beitrag erschien in der Wochenendbeilage der "Freien Presse" 17.6.2017 .