1800
Räuberkumpan: Der
Wildschütz Karl Stülpner und
sein Kumpan Gottlieb Lämmel
von Horst Lämmel und Detlef Lämmel
gedruckt 2001 in "lemlein filii" Heft 6 S.72-73, seither ergänzt
Im Dresdener Militärarchiv befinden sich
Musterungslisten der
verschiedenen Regimenter der sächsischen Armee. Für
das
Infanterie-Regiment Prinz Maximilian, Jahrgang 1801, sind die
Zugänge in der 8. Mousquetier-Kompanie aufgelistet, darunter
als
Nummer 007:
"Carl Gottlieb
Lämmel, Alter 37 Jahre, Geburtsort Neukirchen
bei
Chemnitz, im Regiment gedient bereits 16 Jahre und 2 Monate; er wurde
am 20.Juni 1800 aufs Neue engagiert und kapitulierte (das
heißt
verpflichtete sich) auf 6 Jahre bis 1806." Der
darauf folgende Eintrag, Nummer 8, lautet:
"Carl Heinrich Stülpner, Alter 39 Jahre, Geburtsort
Scharfenstein,
..." usw. 12
1:
Carl Gottlieb Lämmel und Carl Stülpner in der
Militär-Musterungsliste des Regiments "Prinz Maximilian" von
1800.
– 2:
Der Wilderer Carl Stülpner.
Dieser Karl Stülpner aber, der hier zusammen mit
Gottlieb
Lämmel in das Prinz-Max-Regiment eintrat, war ein
steckbrieflich
gesuchter Wilderer und Räuberhauptmann, der beim
Bauernaufstand
von 1790 als Volksheld gefeiert und in späteren
Erzählungen
glorifiziert wurde. Verschiedene Höhlen und
Bergwerks-Eingänge, in denen Stülpner gehaust haben
soll,
sind noch heute Touristen-Attraktionen. Im Stülpner-Museum im
Zschopauer Tor in Marienberg findet sich ein Brief, den
Stülpner
an seine Frau gerichtet hatte. Darin steht: "Mein Kamerad C.G.L. aus
Neukirchen, der mit mir bei den Maxern war und welcher mich vor den
Häschern verstecket, habe ich selbst mit Wildbret versorget,
denn
er ist wie wir ein armes Luder." - Das "arme Luder" "C.G.L. aus
Neukirchen" ist kein anderer als unser Carl Gottlieb Lämmel.
Hier die Geschichte des Wildschützen Karl
Stülpner, der
sich
auf seinen Lämmel verlassen konnte. Das Material wurde von
Horst
Lämmel in Thalheim zusammengestellt und von Detlef
Lämmel am
Familientag vorgetragen.
*
* *
Am 30. September 1762 wurde Karl Stülpner in
Scharfenstein im
Gänsewinkel, unterhalb der Burg, geboren. Es war eine Kindheit
in
großer Armut. Schon mit sechs Jahren mußte er
Gesinde- und
Fronarbeiten auf der Burg verrichten. Mit 10 Jahren dann nahm ihn der
Ehrenfriedersdorfer Förster auf. Dieser Mann war der
Stülpner-Familie wohlgesinnt und wollte damit helfen, deren
Hunger
und Armut zu lindern. Auch bekam hier der Stülpner das
Waidwerk
beigebracht.
Um aber die große Armut der Familie zu entlasten,
meldete
sich
Stülpner spontan am 16.11.1779 freiwillig beim Prinz
Maximilian
Regiment. Denn als Freiwilliger bekam er 2 Taler und 16 Groschen
Handgeld. Seinen Dienst begann er beim Regiment in Chemnitz. Auch da
begann er schon zu wildern. Dies war dann auch der Grund, dass er nach
Zschopau strafversetzt wurde. Da er aber trotzdem das Wildern nicht
lassen konnte, wurde Stülpner in Arrest genommen.
Durch die Mithilfe einiger Kameraden gelang
Stülpner bei
Döbeln die Flucht. In Sachsen konnte er nicht bleiben. Die
dichten
Wälder Böhmens boten guten Unterschlupf. Da
Stülpner die
arme Landbevölkerung mit Wild versorgte, fand er immer wieder
ein
Versteck und konnte sich somit immer wieder seinen Häschern
entziehen.
Während seiner Fluchtzeit kam er durch halb Europa.
So war er
in
Böhmen, Ungarn, Wien, Bayern, Tirol, Schweiz, Baden, Hessen,
Hannover. Doch eines Tages packte Stülpner das Heimweh. Durch
die
lange Abwesenheit, so dachte er, sei über seine Fahnenflucht
Gras
gewachsen. Leider aber wurde Stülpner bei Hof in Bayern
dingfest
gemacht und in die Dienste der preußischen Armee gepresst.
Mit den Preußen nun zog er 1793 gegen die
Franzosen in den
Krieg.
Es gelang ihm wiederum die Flucht. So zieht er quer durch Deutschland
gen Scharfenstein. Ostern 1794 wollte Karl seine Mutter besuchen,
musste aber schon wieder vor seinen Häschern fliehen. Somit
begann
sein eigentliches Wildererleben.
Die heimatlichen Wälder und, vor allem, die Bauern
boten ihm
immer
wieder Unterschlupf und Versteck. Kurze Zeit versteckte sich
Stülpner in einem alten Bergbaustollen bei den Greifensteinen,
der
heute als "Stülpnerhöhle" ein bekanntes Ausflugsziel
ist.
Zu dieser Zeit wurde Karl auch per Steckbrief gesucht.
Nach sechs Jahren seiner Wildschützenzeit
erfährt Karl,
dass
er begnadigt wurde und der Steckbrief aufgehoben war. Also meldete sich
Stülpner am 11.8.1800 bei seinem alten Regiment zu Diensten.
Hier
nun wird Carl Gottlieb
Lämmel aus Neukirchen sein
Regiments-Kamerad. Dies ist in einer alten Militärmusterliste
ersichtlich.
Beide nun, sowohl Karl Stülpner als auch Gottlieb
Lämmel
nehmen an der Doppelschlacht gegen Napoleon bei Jena und Auerstedt
teil. Auch hier entzog sich Stülpner durch Flucht der
Gefangenschaft. Wenn man auf Flucht ist, braucht man auch etaws zu
essen. So erlegte er für sich hin und wieder ein
Stück Wild.
Kurz vor seiner Heimat besann sich Karl Stülpner
auf seinen
Kameraden. Für kurze Zeit fand Stülpner bei Carl Gottlieb
Lämmel Unterkunft. Ehe er dann Scharfenstein
erreichte, wurde ihm
mitgeteilt, dass er schon wieder gesucht würde. Somit setzte
er
sich gleich nach Böhmen ab. Hier heiratete er und betrieb
einige
Jahre eine Gastwirtschaft.
1828 kehrt Karl Stülpner augenkrank nach Sachsen
zurück.
Die
Scharfensteiner besannen sich der guten Taten Stülpners, und
die
Gemeinde sorgte für seinen Lebensunterhalt.
Am 24.9.1841 verstirbt Karl Stülpner. In
Großolbersdorf
wird
der Wildschütz und Volksheld des Erzgebirges zur letzten Ruhe
gebettet. Der Wildschütz Karl Stülpner ist noch heute
bei den
Erzgebirglern einer von ihnen, ein Helfer der Armen.
Nachtrag (2015):
Über Karl Stülpner gibt es viele Erzählungen, darunter
eine Fortsetzungsgeschichte in der Zeitschrift "Rund um den
Greifenstein", erster Jahrgang 1928. Darin hat Stülpner einen
Kumpan namens Louis Lämmel in Geyer, der "an der Krankheit der
Ärmsten", an der Schwindsucht stirbt. Dass dieser Louis
Lämmel und seine Familie in Geyer existierten, kann nicht
nachgewiesen werden. Offensichtlich hat der Erzähler der Geschichte
hier dichterische Freiheit walten lassen. Es gab freilich einen
Waldwärter Louis Lämmel
aus Cranzahl, der aber 100 Jahre
später lebte und 1913 starb. Womöglich hat der Schreiber ihn
gekannt und seinen Namen in der Stülpnergeschichte verwendet.
Carl Gottlieb Lämmel, der nachgewiesene Stülpner-Kumpan,
lebte nicht in Geyer und starb nicht an der Schwindsucht. Er kann also
von dem Autor der Geschichte nicht gemeint sein. Dass Carl Gottlieb
Lämmel ein Stülpner-Kumpan war, wurde ohnehin erst um 1999
von Horst Lämmel entdeckt.
[Zeitschrift "Rund um den Greifenstein" 1928. - Hinweis von F.Drechsel 2015]