zurück zum Stammtafelverzeichnis
zurück zum Lemmel-Sachsen-Index

Die Lemmel in Thum

Ab 1548, vielleicht schon ab 1532, gibt es Lemmel in der Bergstadt Thum südlich von Chemnitz.

Die Kirchenbücher in Thum setzen erst 1623 ein. Jedoch ergibt sich für die Zeit davor ein recht geschlossenes Bild aus den Gerichtsbüchern, in denen ab 1548 einige Urkunden über die Thumer Lemmel enthalten sind. Für die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts jedoch ist die Urkundenlage für Thum sehr schlecht, und man ist für die Aufstellung einer Stammfolge auf Indizienbeweise angewiesen.

                             *  *  *

Die ältesten Thumer Lemmel-Urkunden aus den Gerichtsbüchern ergeben folgendes:

1532 wird Nickel Lemmel in Adorf einmal als Nickel "Thümer" bezeichnet. Wenn diese Deutung richtig ist, dann lebte bereits 1532 Nickel Lemmel aus Adorf in Thum, wo dann erst 1571/73 die Urkunden über die Witwen von zwei Männern namens Nickel Lemmel berichten.

1548 hat (die Witwe) Benedix Lemlin einen Besitz in Thum. Benedix Lemmel hatte also neben Nickel Lemmel in Thum gelebt.

1552 erhalten "Lemmels Kinder" 3 gr, als Hans Putschers Haus verkauft wird. (Der Vater dieser Lemmel-Kinder, der bereits tot sein muss, dürfte der vor 1548 gestorbene Benedix sein.)

1558 und 1559 heiraten in Marienberg Thomas Lemmel aus Thum, sowie Martin Lemmel aus Thum. [KB Marienberg]

1567 leistet Lorenz Lemmel von Glauchau dem Merten Putscher in Thum Verzicht wegen seines väterlichen und mütterlichen Erbes in einem Gutsbesitz.

1571/72 sind die Brüder Jakob, Martin und Jobst Lemmel "Schwertmägen" (das heißt Vormünder) der drei Töchter des verstorbenen Nickel Lemmel, dessen Witwe Catharina die Stiefmutter der drei Töchter ist.

1573 lebt in Thum Margarethe geb. Förster, die Witwe eines anderen Nickel Lemmel.

                             *  *  *

Um hieraus eine Stammfolge zu konstruieren, muss man zunächst die Geburtsjahre der genannten Personen abschätzen: Thomas und Martin Lemmel, die nach ihrem Heiratsdatum am besten zu fixieren sind, dürften etwa um 1530 geboren worden sein. Die 1571 erwähnten Jakob und Jobst Lemmel, die in Thum nicht weiter genannt sind, sind wahrscheinlich identisch mit zwei gleichnamigen Lemmeln, die in Marienberg ab 1554 und ab 1572 Kinder bekommen. Ihre Geburtsjahre könnten demnach um 1525 und 1540 angenommen werden.

Der vor 1571 gestorbene Nickel (Witwe Catharina) ist etwas schwerer abzuschätzen. Seine drei Töchter sind 1571 noch unverheiratet, dürften also zwischen 1550/65 geboren worden sein, ihr Vater Nickel demnach etwa zwischen 1520/30. Lorentz Lemmel von Glauchau, der 1567 in Thum genannt wird, mag zwischen 1525/40 geboren worden sein.

In der um 1525/30 geborenen Generation (der auch als jüngster der um 1540 geborene Jobst angehört), stehen in Thum nebeneinander die 4 Brüder Nickel, Martin, Jakob, Jobst, sowie Lorenz und Thomas. Nickel ist 1571 bereits gestorben, und seine Witwe heißt Catharina.

Der andere Nickel, dessen Witwe Margarethe geb. Förster ist, könnte der gleichen Generation angehören. Er kann aber auch eine Generation älter sein und mit dem Gutsbesitzer Nickel Lemmel in Adorf identisch sein, der 1532 einmal als "Nickel Thümer" bezeichnet wird. Er dürfte dann der Vater der 4 Brüder sein, wie es auch Herbert E. Lemmel bereits annahm.

Lorenz Lemmel hat 1567 ein "väterliches und mütterliches" Erbe in einem Gutsbesitz in Thum. Sein verstorbener Vater muss also dort ansässig gewesen sein. Das trifft auf den vor 1548 gestorbenen Benedix zu. Da Lorenz in Glauchau einen Sohn hat, der wiederum Benedix heißt, muss der Thumer Benedix Lemmel der Vater von Lorenz sein. Thomas dürfte ein anderer Sohn von Benedix sein.

                             *  *  *

Daraus ergibt sich die hier skizzierte Stammfolge der Thumer Lemmel:


         Nickel Lemmel
in Adorf (1532 Nickel "Thümer")
1573 in Thum seine Witwe Marga-
      rethe geb. Förster                     Benedix Lemmel
               │                            1548 seine Witwe
   ┌───────────┴┬───────┬──────┐                in Thum
Nickel        Jakob  Martin  Jobst                 │
seine Witwe   1571 in Thum als Vormün-         ┌───┴─────┐
Catharina     der von Nickels Töchtern      Thomas     Lorenz
in Thum              Martin                aus Thum   1567 in
                    aus Thum               ∞1558 in   Glauchau,
                    ∞1559 in              Marienberg  Erbe in
                    Marienberg                         Thum

Während der ältere Nickel Lemmel schon seit langem als Sohn des Chemnitzer Paul Lemmel bekannt war, wurde die Herkunft von Benedix Lemmel in Thum erst 1995 von Klaus Schröpel durch einen Urkundenfund im Freiberger Bergarchiv geklärt. Und zwar wird Bendix 1538 im Bergbau von Geyer mit einem Stollen belehnt. Er lebte also in Thum und war Bergunternehmer in Geyer; oder aber er war erst Bergunternehmer in Geyer und setzte sich dann auf einem Bauerngut in Thum zur Ruhe.

Zuvor gab es einen anderen Gewerken in Geyer, Jacob Lemmel, den man als Vater von Benedix ansehen muss. Jacobs Herkunft ist nicht beurkundet; er war Gewerke nicht nur in Geyer sondern auch in Marienberg, wo seine Witwe Margarete Lemlin bekannt ist; siehe Lemmel-Stamm Marienberg. Er war wohl ein Neffe des Chemnitzer Paul Lemmel:

                Martin Lemmel in Chemnitz
                ┌────────────┴──────────────┐
               Paul                        Hans         
                │                           │
                │                           │               
             Nickel                       Jakob
             in Adorf           Gewerke in Geyer und Marienberg
             und Thum                       │
       ┌────────┴──────────┐                │
       │  seine Nachkommen │      Benedix, 1538 Bergbau Geyer
       │in der vorliegenden│       dann Gutsbesitz in Thum
       │  Stammfolge       │   ┌────────────┴────────────────────┐
       └───────────────────┘   │Nachkommen siehe Stamm Marienberg│
                               └─────────────────────────────────┘




                              *  *  *

Da Benedix Lemmel starb, bevor seine Söhne mündig waren, kam sein Gut an den Schwiegersohn Merten Putscher und ging der Familie Lemmel verloren. Von seinen Söhnen ging um 1550 einer in die aufstrebende Bergstadt Marienberg und von dort später als Schneider nach Schwarzenberg; der andere ging als Bäcker nach Glauchau, wo sein Sohn Melchior Bürgermeister wird, und von wo sein anderer Sohn an die Universität Leipzig geht. (Einzelheiten siehe Lemmel-Stamm Marienberg.)

Von den Söhnen des Nickel erbt der jüngere Nickel den Hof. Da er früh stirbt und keinen Sohn hat, geht auch dieses Gut der Familie Lemmel verloren. Die drei anderen Söhne aber gehen ebenfalls nach Marienberg. Freilich ist dort nur für Martin wörtlich angegeben, dass er aus Thum stammt. Aber da das Vornamen-Tripel Jakob-Martin-Jobst nur in Thum und Marienberg vorkommt, muss man für alle drei die Abwanderung von Thum nach Marienberg annehmen.

                              *  *  *

Was machten die Lemmel in Thum? Sowohl Nickel als auch Benedix Lemmel sind als Gutsbesitzer erwiesen, was jedoch ihren Stand nur mangelhaft wiedergibt. Während Benedix' Interessen im Bergbau lagen, werden die Lebensumstände des jüngeren Nickel aus den Erbverhandlungen 1571 nach seinem Tod erhellt. Im Nachlass werden 3 Kühe und größere Mengen Tuch aus Flachs erwähnt. Die Landwirtschaft dient also nur der Nahrungsbeschaffung für den Eigenbedarf; das Geld wird mit Flachsanbau und Tuchmacherei verdient. Jedoch werden auch etliche Schulden erwähnt; das Geschäft ging also nicht gut. So ist es nicht verwunderlich, dass etliche Lemmel-Söhne Schneider werden, dies aber in den Bergstädten, wo ein Schneider bei den Bergunternehmern und Bergarbeitern etwas verdienen kann.

                              *  *  *

Unter den Nachkommen des Thumer Lemmel-Stammes ist bisher keine Linie bekannt geworden, die im Mannesstamm bis in die Gegenwart führt. Von einigen Familien ist verbürgt, dass sie mit allen Kindern der Pest zum Opfer fielen, und das gleiche Schicksal muss man wohl auch für weitere Lemmel dieses Familienzweiges annehmen.

Einige mögen aber in andere Gegenden abgewandert sein, wo man vielleicht noch Nachkommen finden wird. Dass man diesbezüglich Überraschungen erleben kann, zeigt die Entdeckung, dass zwei Nachkommen des Thumer Lemmel-Stammes um 1700 mit der holländischen Ost-Indien-Compagnie nach Jawa im heutigen Indonesien gingen. Dort aber fielen sie einer Tropenkrankheit zum Opfer, ohne Kinder zu hinterlassen.

Ein anderer der Thumer/Marienberger Lemmel-Nachkommen dürfte nach Norwegen gegangen sein, von wo nach 1650 "Mathias Lemmel, gebürtig aus Norwegen" als Bergmann nach Schneeberg und Freiberg zurückkehrt. (Siehe Lemmel-Stamm Marienberg.)

                              *  *  *
                                                                
Für die ältere Geschichte von Thum und dem benachbarten Ehrenfriedersdorf siehe Hubert Ermisch: Das Zinnerrecht von Ehrenfriedersdorf, Geyer und Thum [Neues Archiv für Sächs. Gesch. u. Altertumskunde, Band 7, Dresden 1886, S.94 ff].



Darin findet sich ein Zitat [H.St.A.Dresden, Wittenb.Arch. Bergwerkssachen, Kaps IV Bl 6], in dem Richter, Schöppen und älteste Zinner von Ehrenfriedersdorf, Geyer und Thum an Kurfürst Friedrich den II. über dortige Rechtsfragen und Gewohnheitsrechte Auskunft geben. Die Namen der Richter, Schöppen und Zinner dürften in der Urkunde angegeben sein, sind aber bei Ermisch nicht genannt. Laut Auskunft von Kurt Wensch hat das genannte Wittenberger Archiv schwere Kriegsverluste erlitten, so dass der ganze von Ermisch erwähnte Bestand "Bergwerkssachen" Kaps.IV nicht mehr vorhanden ist. - So wird es sich nicht mehr klären lassen, ob unter den Thumer Würdenträgern vielleicht auch ein Lemmel war. Zu vermuten wäre das, da bei der Lemmelschen Erbverhandlung 1571 der Bürgermeister von Annaberg als Vormund auftritt und ein Thumer Lemmel-Sohn Bürgermeister von Glauchau wird.

                              *  *  *

Spätere Lemmel in Thum



Die hier besprochenen Lemmel sind nur kurze Zeit in Thum. Danach wandern andere ein:

1585 Caspar Lemmel aus Auerbach, Sohn Martin. 1588 Caspars mutmaßlicher Bruder Nicol, Sohn Georg. Siehe Stamm Auerbach/E

1638 Caspar Lemmel aus Auerbach, Stamm Auerbach/E

1670 Christoph Lemmel. Stamm Jahnsbach

1699 Michael Lemmel, Nachkommen in Thum bis 1904. Stamm Drebach/Thum

1789 Gotthilf Lämmel aus Auerbach, Nachkommen in Thum bis zur Gegenwart. Stamm Auerbach/Thum

1801 Christian Gottfried Lämmel aus Gornsdorf. Stamm Gornsdorf.

Ab 1870 mehrere Lämmel. Stämme Adorf, Drebach, Gornsdorf/Auerbach.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts leben in Thum drei Männer namens Christian Friedrich Lämmel, die zu drei verschiedenen Stämmen gehören.

______________________________________________________________________________________