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Zur Herkunft der Lemmel in Auerbach/Vogtland und Torgau um 1500

zur Stammtafel der Torgauer Lemmel
zur Stammtafel der Lemmel in Auerbach/V

H.D.Lemmel 1981, seither ergänzt

Um 1500 tauchen in Auerbach im Vogtland und in Torgau an der Elbe die ersten Lemmel auf, deren Herkunft nicht mit Sicherheit angegeben werden kann.

Sowohl in Auerbach als auch in Torgau gibt es je drei um 1520/1530 geborene Brüder namens Caspar, Hans und Balzer Lemmel. Hieraus zu schließen dürften die Auerbacher und Torgauer Lemmel Vettern sein, zumal die Vornamen Caspar und Balzer bei den anderen sächsischen Lemmeln sonst kaum vorkommen.

Ein Indiz für den Zusammenhang der beiden Lemmel-Stämme wird auch durch einige Familiennamen der Verwandtschaft gegeben. Um 1565 amtieren in Auerbach Hans Meusel, Baltzer Lemmel und Baltzer Fritzsch zusammen als Ratsherren. Später sind die Lemmel in Torgau mit den Familien Meusel und Fritzsche verschwägert.

Einen Zusammenhang zwischen Auerbach/V und Torgau zeigen die politischen Gegebenheiten: beide Städte sind um 1500 Hauptorte im Norden und Süden des schmalen Landstreifens des sächsischen Kurfürstentums der Ernestinischen Linie der Wettiner. Die meisten anderen sächsischen Lemmel leben im Herzogtum Sachsen der Albertinischen Wettiner. Die Trennung, die bereits 1479 erfolgte, ist zu dieser Zeit bedeutungsvoll: Im Schmalkaldischen Krieg 1546-1547 kämpfte die Albertinische Seite mit Kaiser Karl dem V. gegen die Ernestinische Seite. Am Kriegsende 1547 wurde das Vogtland vorübergehend (bis 1556, als Karl der V. stirbt) habsburgisch. Torgau fiel an den Albertinischen Wettiner-Herzog Moritz, der nunmehr Kurfürst wird.

 

Skizze des Kurfürstentums Sachsen der Ernestinischen Wettiner bis 1546
 

Die Auerbacher Lemmel beginnen mit dem Gewerken Hans Lemmel, der etwa um 1485 geboren wurde, und mit dessen unbekanntem Vater (geboren etwa 1455). Letzterer hatte bereits einen Besitz in Auerbach, von dem später im Erbe seiner Enkel die Rede ist.

Die Torgauer Lemmel beginnen mit dem etwa um 1465 geborenen Kürschner Michel Lemmel, der 1529 bis 1542 beurkundet ist. 1535 wohnt er zur Miete im Ratshäuslein, das in erster Linie verdienten älteren Bürgern zustand, etwa als Altersheim. Hier ist anzumerken, dass der "Kürschner" vermutlich kein einfacher Handwerker ist sondern wohl ein Pelzhändler. Kürschnerei und Bergbau findet man oft zusammen, weil im Bergbau auch Leder gebraucht wird und weil man im Fernhandel mit Metallprodukten auch gleich Pelze aus fernen Ländern importieren kann. Schon bei den ersten Nürnberger Lemmeln des 14.Jahrhunderts gibt es Kürschnerei und Bergbau.  Jedenfalls folgt in Torgau auf den Kürschner Michel Lemmel sein mutmaßlicher Sohn Caspar Lemmel, der recht wohlhabend gewesen sein muss, wie wir sehen werden.

Die hier auftretenden Vornamen Hans – Michel – Caspar erinnern an den Nürnberger Familienzweig: so heißen die drei Söhne des Nürnberger Ratsherrn und Bürgermeisters Hans Lemlein/Lemmel. Der Vorname Caspar kam hier erstmals in die Familie durch Hans Lemleins Heirat mit Katharina, Tochter des Caspar Haller.

Nun ist es bekannt, dass im Auerbacher Bergbau Nürnberger Unternehmer tätig waren. Im Falle Lemmel: 1553 ist in Auerbach Lorenz Meichsner als ein Schwiegersohn des Hans Lemmel beurkundet. Zuvor waren die Meichsner-Brüder Peter († um 1478) und Heinrich († um 1470) gleichzeitig mit Hans Lemlein († 1473) Ratsherren in Nürnberg. Vom Ratsherrn Hans Lemlein ist bekannt, dass er 1451 und 1457 mit dem sächsischen Herzog Wilhelm in Angelegenheiten der Stadt Nürnberg verhandelte. Vermutlich folgten den Amtsgeschäften auch private Geschäfte.

Diese Geschäftsbeziehungen und die oben erwähnten typischen Vornamen machen es wahrscheinlich, dass die Auerbacher und Torgauer Lemmel vom Nürnberger Ratsherrn Hans Lemlein abstammen.
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Hans Lemleins Söhne, die etwa um 1430 geboren wurden, sind bekannt. Der Sohn Caspar stirbt nachweislich kinderlos in Nürnberg. Der Sohn Michael lebt bis 1474 in Bamberg: starb er kinderlos oder zog er fort? – wohin? Vom Sohn Hans ist bekannt, dass er verheiratet war, im Jahre 1475 in der oberungarischen, heute slowakischen Bergstadt Kremnitz lebte, dort aber wohl nicht blieb. Aus Nürnberger Quellen ist bekannt, dass er 1487 starb – aber wo? Seine Witwe Katharina kehrte nach Nürnberg zurück, wo sie 1490 starb. Er dürfte zumindest einen Sohn Hans gehabt haben, von dem in Nürnberg ein 1490 datiertes Porträt existiert: "Hans Lemlein der Jüngere in Nürnberg anno 1490", im Alter eines jüngeren Mannes. Wo er lebte, ist nicht bekannt; er mag 1490 zum Begräbnis seiner Mutter nach Nürnberg gekommen sein. Altersmäßig könnte er der Vater des Auerbacher Hans Lemmel sein. Ob das Porträt autentisch ist, ist freilich fraglich.


Die vermutete genealogische Einordnung der Auerbacher und Torgauer Lemmel ist in der folgenden Tafel dargestellt.


                 B-26/g Hans Lemlein, *?1395
                 Ratsherr in Bamberg, dann Nürnberg
                 ∞ Katharina, Tochter von Caspar Haller
   ┌───────────────┬─────────┴────────────┐
B-27/h             │                      │
Michel          B-27/g                    │
Lemlein/Lemel   Hans Lemmel           B-27/k
*?1423          *?1427, †1487 wo?     Caspar Lemlein/Lemmel
1440 Univ.Wien  1475 in Kremnitz,     *?1435, †1510
1453-1474 im    dann wo?              reicher Kaufmann in
Lemleinshof in  ∞Kath.,†1490 Nürnbg   Nürnberg, kinderlos
Bamberg.        Kinder? wo?              ═══
Falls Söhne,       :
dann nicht in      :
Bamberg.           ├  ─  ─  ─  ─  ─  ─ ┬ ─ ─ ─ ─ ─ ─ ─ ─┐
                Hans Lemlein  =?=  ...Lemmel            │
                *?1455             in Auerbach/V        │
                1490 Porträt       ein Besitz,       T-28/h
                in Nürnberg,       den die           Michel Lemmel
                keine Urkunde      Enkel erben       *?1465, Kürschner
                bekannt.               │             1529-1542 Torgau im
                                       │             Ratshäuslein (Altersheim)
                                   AV-29/a              │
                                   Hans Lemmel          │
                                   *?1485            T-29/b
                                   Gewerke in        Caspar Lemmel
                                   Auerbach/V        *?1495
                                       │             1551-1569 Haus und
                       ┌─────┬────┬────┤             Hof in Torgau
                    Caspar   │    │    │           ┌────┴┬────┬────┐
                           Hans   │    │          Hans   │    │    │
                               Gabriel │              Ilgen   │    │
                                    Balzer                 Balzer  │
                                                                 Caspar



Die Argumente für die hier dargestellte Einordnung der Auerbacher und Torgauer Lemmel sind freilich schwach, und es bleibt zu hoffen, dass weitere Urkundenfunde um 1500 eine Bestätigung (oder Korrektur) bringen.

Alternative: Ist der Totguer Michel Lemmel vielleicht ein Sohn des Bamberger Michel Lemlein? Der Beruf des Kürschners scheint mir besser zum Kremnitzer Hans zu passen.

Nebenbei: Im Jahre 1530 wurde in Torgau der spätere evangelische Pfarrer Caspar Lemmel geboren. Er muss als junger Student erlebt haben, wie 1547 nach der Schlacht bei Mühlberg (nahe Torgau) der katholische Habsburger-Kaiser als Sieger in das Torgauer Schloss einritt, drei Jahre nachdem Martin Luther dort die neu erbaute Schlosskirche eingeweiht hatte. 1564 kam Caspar Lemmel als protestantischer Prediger in das habsburgische Kernland Niederösterreich, wo noch der unglückliche Torgauer Herzog Johann Friedrich gefangen saß. Ob Caspar Lemmel ihm geistlichen Beistand leistete, ist freilich nicht bekannt.


                                                                        H.D. Lemmel
                                                                        März 1981, seither ergänzt
15.6.2000


Fehlerhinweise:
Frühere Darstellungen von Herbert E. Lemmel sind überholt.
Der Auerbacher Hans Lemmel wurde als Sohn des Hans Lemmel in Schneeberg dargestellt [HEL "Herkunft" Tafel 7]. Das ist zeitlich nicht möglich.
Der Auerbacher Hans Lemmel wurde mit Hans Lemmer in Kirchberg gleichgesetzt [HEL "Geschichte" Tafel 1 Blatt 6]. Dafür gibt es keine Begründung.
Die Auerbacher Caspar, Hans und Balzer Lemmel wurden mit den gleichnamigen Torgauer Lemmeln gleichgesetzt [HEL "Herkunft" Tafel 7 und "Geschichte"]. Das ist unmöglich.
In früheren Aufsätzen hatte ich die Darstellungen von Herbert E. Lemmel ungeprüft übernommen.


Trotz ihres gemeinsamen Urspunges entwickeln sich die Lemmel in Auerbach/V und Torgau unterschiedlich.
1. Die Lemmel in Auerbach/V
2. Die Lemmel in Torgau



1. Die Lemmel in Auerbach/V

1541 stirbt in Auerbach im Vogtland der Gewerke Hans Lemmel, über den wir aus zahlreichen Urkunden viele Einzelheiten wissen. Aus einer um etwa 1510 geschlossenen Ehe sind vier Söhne und drei Töchter bekannt. Schon sein unbekannter Vater lebte hier, denn in einer Erbabsprache von 1565 ist von einem großväterlichen Erbe in Auerbach die Rede. Der Sohn Balzer wurde Ratsherr in Auerbach. Seine mutmaßlichen Söhne Jakob und Abraham sind noch 1605 mit Hausbesitz in einem Steuerverzeichnis genannt – dann verschwindet die Familie. Weder von Balzers Söhnen noch von seinen Geschwistern ist der weitere Verbleib bekannt.

Balzers ältester Bruder in Auerbach ist Gabriel Lemmel. Wahrscheinlich sind sein Sohn und Enkel der Gabriel Lemmel, der 1563 bis 1571 in Platten Kinder bekam, darunter ein dritter Gabriel Lemmel, der 1606 Knappschafts-Ältester in Graslitz war.

Offenbar waren die Nachkommen der Auerbacher Lemmel auf der böhmischen Seite des Erzgebirges im Bergbau tätig. Hier gab es um 1600 etliche Lemmel, aber ihre genealogische Einordnung kann nur vermutet werden. Es scheint, dass die ganze Familie durch Pest und 30-jährigen Krieg ausgerottet wurde.

8.12.2009

Zur Stammtafel der Lemmel in Auerbach/V

 
2. Die Lemmel in Torgau

Zur Stammtafel der Torgauer Lemmel
Zum Text über die Torgauer Lemmel

Aus dem Jahr 1495 ist eine Torgauer Steuerliste erhalten, in der noch kein Lemmel verzeichnet ist. Der erste ist ein Kürschner Michel Lemmel, der etwa um 1465 geboren sein dürfte, in drei Urkunden 1529, 1535 und 1542 erwähnt wird und wohl bald darauf gestorben ist. 1535 wohnt er zur "Miete im Ratshäuslein", was in erster Linie verdienten älteren Bürgern zustand, etwa als Altersheim.

Auf ihn folgt sein mutmaßlicher Sohn Caspar, der 1551-1557 mit Haus und Hof in Torgau beurkundet ist. Ab 1561 sind dann drei mutmaßliche Brüder: Hans, Ilgen und Balzer Lemmel mit Haus und Hof in Torgau erwähnt; ein vierter Bruder, wiederum ein Caspar, der 1530 geboren wurde, ging als evangelischer Pfarrer nach Niederösterreich. Das Geburtsjahr 1530, das für Caspar, wohl den jüngsten der Brüder, beurkundet ist, ist ein Fixpunkt für die Altersabschätzung der Torgauer Lemmel,

Die weiteren Nachkommen sind dann durch die Kirchenbücher erschlossen. Während die Lemmel in Torgau bereits um 1670 aussterben, hat Johannes Lemmel, der 1659 als ein Tischler von Torgau nach Belgern geht, dort eine große Zahl von Nachkommen, unter denen der Tischlerberuf vorherrscht. Einer von ihnen gelangt als Soldat im 7-jährigen Krieg nach Ostpreußen, wo er ebenfalls viele Nachkommen hat. Vom 1555 geborenen Melchior Lemmel in Torgau bis zur Gegenwart gibt es im Torgau-Belgerner Lemmel-Stamm in 10 Generationen 46 Tischler namens Lemmel.


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