Gerhard Lemmel, Gedichte
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Erbsensuppe mit Speck

Was wird aus uns wohl einmal werden ?
bedenkt mit sorgenvoll’ Gebärden
bereits das grüne Erbsenbübchen
in seinem Schoten-Kinderstübchen.

Ein zarter duftger grüner Schimmer
erhellt das kleine Kinderzimmer.
Dort liegen pausbackig und nett
sechs Brüder, jeder in seinem Bett.

Was haben die getobt, gealbert, gelacht !
Wie schön war immer die Kissenschlacht !
Das hat Mutter Erbse als nicht artig empfunden
und die Kinder im Bett alle angebunden.

Eines Tages beginnen die großen Gefahren.
Wir waren noch knapp aus den Kinderjahren,
da hat man uns viele Brüder geraubt.
Dass wir übrig blieben, hätten wir kaum geglaubt.

Wir sinnen, was wohl ihr Schicksal sei.
Einer munkelt von Leipziger Allerlei.
Doch endlich schrieben sie „Viele Grüße,
eine fröhliche Schüssel Schotengemüse.“

Und was wird aus uns nun, Herr Gott nochmal !
Diese Ungewißheit ist eine Qual !
Keinen Spaß machen mehr die Kinderfaxen,
seit wir immer größer und dicker wachsen.

Die Schläfen sind schon leicht ergraut,
und Runzeln durchziehen die alte Haut.
Und schwanken im Winde wir hin und her,
dann wird uns davon schon so übel so sehr.

Auch das Schotenhaus hält nicht mehr ganz dicht.
Nein, den alten Herren gefällt das nicht.
Da platzt gar das Haus ! Doch wir schmunzeln beglückt,
wir wurden noch gerade zur Zeit abgepflückt.

Doch bald ganz nackt in der Hitze wir lagen,
vor Durst verdorrend, kaum zu ertragen.
Dann wurden wir wieder ins Wasser gelegt,
und trinken müssen wir unentwegt.

Erst schrumpeln in großen Falten wir alle,
dann platzen wir bald aus unserer Schale.
Was haben die Menschen sich nur erdacht,
uns hier zu quälen Tag und Nacht.

Zum Glück wird das Leben nun amüsant.
Besuch kommt viel aus dem Gartenland.
Zuerst die große Kartoffelfamilie,
begleitet von Fräulein Petersilie.

Dann kommt noch manch anderes Suppengemüse,
Familie Salz mit ’ner großen Prise
von furchtbar frechen und wilden Rangen,
die mit allen sich necken und Streit anfangen.

Da – Achtung ! Es öffnet erneut sich die Tür.
Wir bilden voll Ehrfurcht alle Spalier.
Herein rauscht mit großem Gefolge Frau Speck.
Wo die Dame hintritt, gibt’s gleich einen Fleck.

Eine große Gesellschaft ist nun versammelt.
Da wird der Topf plötzlich fest verrammelt.
Wir werden auf ein heißes Feuer gesetzt
und schwitzen noch furchtbar zu guter letzt.

Jetzt wird es ihnen klar, den Herren Erbsen, den frommen,
wie in den Erbsenhimmel sie kommen.
Wir werden nicht Brei noch so’n anderer Dreck,
wir werden Erbsensuppe mit Speck.

Au fein ! Sagen ’s Bengeli und Butzen,
das wollen wir heute alles verputzen.
Und der Brüder: das essen wir alles weg,
die schöne Erbsensuppe mit Speck.


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