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v
Die
Danziger Ratsfamilie
Schumann 
von Hans-Dietrich Lemmel
Gedruckt im "Danziger Hauskalender 1999", Danziger Verlagsgesellschaft
Paul Rosenberg, Eckernförde, Seiten 77-83.
Seither ergänzt und mit zusätzlichen
Abbildungen
versehen.
Ein Großteil der 1000-jährigen Geschichte Danzigs
wurde von
einigen Dutzend Kaufmanns- und Ratsfamilien gestaltet, zu denen die
Familie Schumann gehörte. In den vier Jahrhunderten, seit der
erste Schumann 1556 als Kaufmann nach Danzig kam, gab es zwölf Danziger
Ratsherren namens Schumann, und fünf von ihnen wurden
Bürgermeister. Aus dieser Familie stammte meine Urgrossmutter
Marie Schumann, die im Jahre 1824 in Danzig geboren wurde.
1.
Das Schumann-Haus
Als ich im Milleniumsjahr 1997 in Danzig war und man uns das
Schumann-Haus zeigte, Langgasse 45, konnte ich feststellen, dass das
Andenken an die
Danziger Ratsfamilien nun wieder gewürdigt wird. Freilich kam
es
noch vor, dass ein Touristenführer vor den
Schumann-Porträts
im Nationalmuseum feststellte: "Das sind Familien, die hier
vorübergehend gelebt haben." Vorübergehend: das ist
im Falle
der Familie Schumann, die keineswegs zu den älteren der
Danziger
Ratsfamilien zählt, immerhin ein gutes Drittel der
1000-jährigen Danziger Geschichte.
Zu meiner Freude war im 1998er "Danziger Hauskalender" das
Schumann-Haus als ein prachtvolles Beispiel Danziger
Renaissance-Baukunst abgebildet (Seiten 91-95). Nur wusste der Autor
nicht, dass es das Schumann-Haus war. Es steht im Zentrum der Rechten
Stadt, dort wo die Langgasse in den Langen Markt mündet,
gleich
gegenüber dem Rathaus. Aus dem reichen Schmuck mit
Götterstatuen zu schliessen, muss es einst eines der
vornehmsten
Häuser gewesen sein. Eine hoch aufragende Figur auf der
Giebelspitze stellt den Göttervater Zeus dar, und eine Etage
tiefer findet man in Giebelnischen und auf Erkern den halben Olymp:
Artemis, Apollo, Athene, Bacchus und Hera. Sie blicken hinunter auf die
Statue Neptuns, der auf seinem Brunnensockel vor Rathaus und Artushof
die Danziger Seeherrschaft symbolisiert.
Wunderbarerweise blieb die Renaissance-Fassade zur Langgasse hin im
Krieg nahezu unversehrt erhalten, obgleich dicht dahinter der
größte Teil des Hauses durch einen Volltreffer
zerstört
wurde. Auf Fotos der Nachkriegszeit blickt die Zeus-Figur des
Schumann-Giebels einsam über das Trümmerfeld.
Inzwischen
wurde das Haus sorgfältig wieder hergestellt und beherbergt ein
Tourismusbüro. Ein Kunstführer über das
Schumann-Haus
ist in Vorbereitung. Der ursprünglich bestehende Beischlag vor
dem
Haus wurde schon um 1900 dem wachsenden Verkehr auf der Langgasse
geopfert und auch jetzt nicht wieder aufgebaut.
Das um 1560 erbaute
Schumann-Haus in
Danzig, in einer Ansicht wohl aus
dem 18. Jahrhundert.
Die kleine Terrasse vor
dem Eingang,
"Beischlag" genannt, wurde um 1900
dem Straßenverkehr geopfert.
[Original
70x93 mm in meinem Besitz.- HDL]
Das Rathaus der Rechten
Stadt Danzig,
in dem die Schumänner als
Ratsherren und Bürgermeister wirkten.
Rechts der Artushof, links
das Schumann-Haus.
Zwischen Schumann-Haus und Rathaus mündet die
Langgasse in den Langen Markt.
[Postkarte, Stich von C.H.Mann]
Der Lange Markt um 1850.
.
Um 1915 war das
Schumann-Haus (links)
ein gewöhnliches
Geschäftshaus. [Postkarten]
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1997 zur Danziger
1000-Jahr-Feier war
das Schumann-Haus schön
renoviert. Drinnen befindet sich ein Tourismus-Büro.
Links Inge
Höfler-Lemmel und Hans-Dietrich Lemmel vor dem Haus ihrer
Vorfahren.
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Detail-Ansichten
des
Schumann-Hauses.
[Danziger Hauskalender 1998]
Im Danziger Hauskalender 2010 [Seite 104, Foto
Herder-Institut]
erschien eine weitere Abbildung des Schumann-Hauses. Sie
gehört zu
einer Reihe von Zeichnungen Danziger Bürgerhäuser,
die der
junge Architekt Otto Rollenhagen 1910-1914 anfertigte. Auffallend ist,
dass man hier am Giebel vier Obeliske sieht, wohingegen die beiden
äußeren Obeliske sowohl heute als auch auf
früheren
Abbildungen fehlen.
A = Artuhof
M = Marienkirche
R = Rathaus
S mit Pfeil = Schumann-Haus
Das letzte Bild zeigt die Lage des Schumann-Hauses gegenüber
dem
Rathaus. Zwiscchen Rathaus und Schumann-Haus mündet die
Langgasse
in den Langen Markt.
[Zeichnung nach Karl Gruber, Berlin 1929, aus Stanislaw
Bogdanowicz: Marienkirche in Danzig. Laumann-Reiseführer
2.Aufl.
1995]
2.
Familie Schumann kommt
nach Danzig
Um 1560 wurde das
Schumann-Haus Langgasse 45 erbaut, im damals neuen Renaissance-Stil. Kurz
zuvor, 1556, war der
Kaufmann Gabriel Schumann
als
erster der Familie nach Danzig gekommen.
Ihm folgte 1586 sein Neffe, wiederum ein Gabriel Schumann,
der bereits
in den Rat gewählt wurde und der das Haus Langgasse 45 um 1630 erwarb (siehe "Geschichte des Schumann-Hauses"). Beide Schumänner kamen aus Konitz, wo ihre
Vorfahren Ratsherren und Bürgermeister gewesen waren, das
Landgut
Jeziorken besassen und mit pommerschen und neumärkischen
Adelsfamilien verschwägert waren.
Gabriel-2 Schumann, aus dem Epitaf in der Marienkirche. Unten das Wappen Schumann und das Wappen Rogge seiner zweiten Frau.
Dieser zweite Gabriel
Schumann
(* 1559, †1631) wurde zu einem
bedeutenden Danziger
Ratsherrn und Politiker, als während seiner Amtszeit der
30-jährige Krieg ausbrach. Um die deutschen Protestanten gegen
den
katholischen Kaiser Ferdinand den Zweiten unterstützen zu
können, eroberte der Schwedenkönig Gustav Adolf 1621
alle
Ostseehäfen, also auch Danzig, das beträchtliche
Hafenzölle an Schweden abliefern musste. Dadurch waren die vom
Polenkönig garantierten Danziger Handelsfreiheiten aufgehoben,
und
das protestantische Danzig war gezwungen, sich gegen die Schweden zu
verteidigen und somit auf der katholischen Seite in den Krieg
einzutreten. Dabei war Gabriel Schumann einer der
maßgeblichen
Danziger Diplomaten. So kam es, dass der Protestant Gabriel Schumann
vom katholischen Kaiser
Ferdinand,
dem Anführer der
Gegenreformation, für
sich und alle Schumann-Nachkommen einen Adelsbrief erhielt, den ich mir
1997 in der Danziger Stadtbibliothek zeigen lassen konnte: ein
prächtiges Quadratmeter-grosses Dokument. Darin ist von einer
"Bestätigung" des Adels die Rede. Tatsächlich war
bereits
Michael Schumann, der Stammvater der Familie, im Jahre 1400 zum Ritter
geschlagen worden. In hanseatischer Tradition wurde der Adel in den
Danziger Ratsfamilien nicht gezeigt. Erst nachdem Danzig
preußisch
geworden war, begannen einige Zweige der Familie, sich "von Schumann"
zu nennen.
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Der hier
schwarz-weiß
wiedergegebene Adelsbrief, in
Quadratmeter-Größe, befindet sich in der Danziger
Stadtbibliothek.
Es ist eine im Jahre 1697 notariell beglaubigte
Abschrift des Originalbriefes von 1633. Daneben das darin enthaltene
Wappen.
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
Einen Mikrofilm des
Originalbriefes habe ich aus Familienbesitz, wobei der Lagerort des
Originals mir nicht bekannt ist.
Daneben das darin
enthaltene Wappen.

Das Schumann-Wappen.
Zum
Schumann'schen Adelsbrief von
1633
Asmus Schumann
*?1490 in Konitz, †1571 Konitz
Richter und Ratsherr in Konitz
├────────────────────────────────────────────────┐
Christoph
Schumann
│
*1528 Konitz, †1602
Konitz
Gabriel-1 Schumann
Bürgermeister in
Konitz
*1530/31 Konitz, †1601 Danzig
┌─────────────────────┬──────┴──────┬─────┬────────┬───────────┐
seit 1556 Kaufmann in Danzig
Gabriel-2 │
│
│
│
│
│
*1559
Konitz
Caspar
│
│
│
│
│
†1631
Danzig
*?1570
Fabian
#5#
│
│
│
Ratsherr(1)
Pfarrer
Konitz *?1575
David
│
│
│
│ †1621 *?1582
Michael
#4#
│
├──────┬─────┬───────┬────────┐ Danzig †
1645 *1584
Daniel
┌────┴────────────────┐
David #2#
#3#
│
│ │ Danzig †1631 *1585
David
#8#
│
*1587 Hein- Hans
#1#
│
│ │
Danzig †1657 *1588
Salomon #9#
in rich
*1591 Gabriel-3
│
│
│
Kaufmann
Konitz
branden- *1594 Christoph
Danzig *1590 †1641 *1595,†1654 Georg
│
│
│
|
burgischer †1650 *1595
│ †1655 Dan-
Ratsherr, *1599
Chri-
│
│
│
Rat
Danzig †1663
│ Schöppe zig ∞
Maria
##### stof
│
│
│
#####
Danzig
│ Danzig │
Koseler,
*1606
│
│
│
│
│ │
│ ihre Bilder im
#####
│
│
│
│
│
│
│
Nationalmuseum ┌─────┘
│ ┌────┴─┬────────┬──────┐
│
│
│
│
Danzig │ ┌───────┤
│
│
│
│
│
David
│
└────────┐ │
#6# #7#
Michael
│
│
│
│
*1618
├──────┐
Johann Michael Salomon Michael *?1615 Christoph
│
│
│
##### Gabriel-4 │
*1622 *1624 *1623 *?1625 †1657
*?1620
Daniel │
┌──────┤
*1631
│ †1663 †1673 †1695 Kauf- Stadt-
venezia- *?1630
Hans Ludwig Constantin
†1700
Gerhard
Danzig Danzig Ratsherr mann schrei- nischer †1710 *?1635
*1636 *1637
Bürger-
Ludwig
Danzig Danzig ber in General Danzig Danzig †1691 †1705
meister
*1642
Konitz
Schöffe Ratsherr
Danzig
Danzig Danzig
|
Im Jahre 1633
stellte Kaiser
Ferdinand der II. der Familie
Schumann einen Adelsbrief aus. Dabei sind 9 Schumänner
namentlich
genannt: "Gabriel, Heinrich unnd Hanß, wie auch Daniel,
Davidt
Gebrüdere, dan Salomon und Michael,
mehr Salomon und Christoff,
alle die Schumannen Gebrüder und Vettern". - In der oben
gezeigten
Schumann-Stammtafel
sind diese 9 Schumänner mit den Ziffern #1#
bis #9# markiert. Es zeigt sich, dass der Adelsbrief alle
Schumann-Linien
berücksichtigt, ausgenommen die 4 Linien, die mit
##### gekennzeichnet sind. Man kann annehmen, dass diese Linien
ohne
männliche Nachkommen bereits vor 1633 ausgestorben waren. Es
kann
aber auch sein, dass diese Linien in andere
Länder abgewandert
waren, so wie der brandenburgische Rat David Schumann, und dass sie
deswegen im Adelsbrief
nicht berücksichtigt wurden. - Die
Nobelitierung in die Wege geleitet hatte bereits der 1631
gestorbene Gabriel, der als
erster der Familie Schumann in Danzig
Ratsherr geworden war.
Der Adelsbrief, der in Danzig erst nach dem 1631 erfolgten Tod des
Geehrten eintraf, wurde von seinem Sohn entgegengenommen, der wiederum
Gabriel hieß. Gabriel-3
Schumann
war mit einer Künstlerin
verheiratet, Maria geborene Köseler,
von der einige Bilder im
Danziger Nationalmuseum zu sehen sind.
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Bilder von Maria
Schumann geb.
Köseler im Danziger Nationalmuseum.
[Fotos H.D.Lemmel 1997]
1.
2.
Gabriel-3
Schumann, * 1595, †1654.
1. Stich des berühmten Danziger Kupferstechers Jeremias Falck (gestorben 1664).
[Stadtbibliothek
und Nationalmuseum Danzig]
2. Ausschnitt
aus dem Schumann-Epitaf in der Danziger Marienkirche. Unten neben dem
Schumann-Wappen das Wappen Wieder seiner zweiten Frau.
[Foto HDL 1997]
Gabriel-3 wurde Ratsherr und Stadtkämmerer. Er
starb 1654
kinderlos. Ihm und seinem Vater wurde ein prächtiges Epitaf
gewidmet, das heute wieder, schön restauriert, in der
Marienkirche
zu besichtigen ist. Aus seinem beträchtlichen
Vermögen
stiftete er den "Schumannschen Fideikommiss", der bis 1945 als
"v.Groddeck-Schumann'sche Familienstiftung" fortbestand. Zuletzt wurde
die Stiftung, die noch in Inflation und Wirtschaftskrise manchem jungen
Familienangehörigen eine Ausbildung ermöglichte, in
Zoppot
von der Schumann-Nachfahrin Edith
Sohn
verwaltet, die 1945 umkam.
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Epitaf in der Danziger
Marienkirche
am südwestlichen
Vierungspfeiler für Gabriel-2 Schumann (*1559, †1631) und
seinen
Sohn Gabriel-3 Schumann (*1595, †1654).
[Foto H.D.Lemmel 1997]
Gabriel-4 Schumann, *
1631, † 1700.
Bürgermeister von Danzig.
(Stich von Leonhard Heckenauer nach einem Gemälde des
Danziger Malers Enoch Seemann d.Ä.)
[Stadtbibliothek und Nationalmuseum Danzig]
3.
Bürgermeister
Schumann
Gabriel-4
Schumann,
geboren 1631, war der erste Bürgermeister
der Familie. Er verfasste ein "Lebensbuch" über seine Studien
an
den Universitäten von Königsberg,
Straßburg, Basel und
über seine Reisen bis nach England, Frankreich und Italien. Er
berichtete, wie er den noch jungen König Ludwig den XIV. sah
und
die Trauerfeierlichkeiten für den 1655 gestorbenen Papst
Innozenz
den X. erlebte.
Sein Neffe, Gabriel-5
Schumann,
geboren 1665, verfasste als
Bürgermeister ein umfangreiches Buch, eine Sammlung der Danzig
betreffenden königlichen Dekrete, die, zusammengenommen, die
Danziger Stadtverfassung ausmachten. Hier seine Unterschrift auf dem
Titelblatt dieses Werkes.
Gabriel-5 Schumann nannte sich "Gabriel Schumann Senior" zur
Unterscheidung von seinem 2 Jahre jüngeren Vetter Gabriel-6
Schumann, der ebenfalls Bürgermeister wurde. Von
letzterem
hängt ein schönes Porträt "Der junge
Schumann" im
Danziger Nationalmuseum, daneben seine Mutter Konstantia Schumann
geborene von Holten, Ehefrau von Gabriel-4 Schumann.
[Ausstellungskatalog]
Dessen Enkel, der 1749 geborene Bürgermeister Ernst Schumann, war
der letzte Stadtpräsident der Freien Stadt Danzig, als sie
1814
von Preußen annektiert wurde. Dessen Neffe Michael Gabriel Schumann
lebt um
1810 in der Langgasse im Haus Nr.406. Das ist die alte Zählung
der
Häuser, und ich vermute, dass dies das Schumannhaus ist; aber
dafür habe ich noch keine Bestätigung. Seine
Söhne zogen
von Danzig fort. Michael Gabriel selbst starb bei seinem Sohn, der
Pfarrer in Klein Katz war. Er war also wohl der letzte Schumann im
Schumannhaus, das alsbald zu einem Geschäftshaus wurde.
Das Schumann-Haus um 1930.
In der preußischen Zeit war Friedrich
Schumann von 1847 bis 1862
Bürgermeister von Danzig. Zu dieser Zeit waren die meisten
Familienangehörigen bereits in andere preußische
Landesteile
abgewandert. Zuletzt lebte in Danzig Annemarie
v.Schumann, Tochter des
Danziger Landgerichtspräsidenten Franz
v.Schumann; sie starb 1944,
kurz vor dem Untergang der Stadt. Ihre Schwester Margarete
flüchtete nach Kalifornien, wo sie als Malerin lebte und 1967
in
hohem Alter starb.
Alle Taufen, Heiraten und Begräbnisse der Familie fanden in
der
Marienkirche statt. Neben dem schon erwähnten Epitaf findet
man
dort im Fussboden die Grabplatte des Ratsherrn Johann Arnold Schumann
(gestorben 1725) mit dem Schumann-Wappen, und an den Pfeilern
hängen Wappentafeln einiger verschwägerter Familien
Schumann,
v.Bodeck, von der Linde, und
andere.
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Grabplatte
Johann Arnold
Schumann
[Foto H.D.Lemmel 1997]
4.
Die Verwandtschaft
Schon Gabriel-1
Schumann
verband sich in zwei Ehen und durch die
Heiraten seiner elf Kinder mit den vornehmsten Danziger Familien. Sein
Schwiegersohn war der Bürgermeister Israel Köhne-Jaski,
der
für seine Familie ein prächtiges Epitaf direkt am
Hohen Tor
der Marienkirche errichten liess, das leider 1945 großenteils
zerstört wurde. Ein anderer Schwiegersohn war der Ratsherr
Albrecht Rosenberg,
aus dessen
Familie der "Kalendermann" stammt, der
Herausgeber des "Danziger Hauskalenders" nach 1945.
Im 17. und 18. Jahrhundert gab es in Danzig stets eine stattliche
Anzahl von Brüdern und Vettern Schumann, die mit fast allen
Danziger Kaufmanns- und Ratsfamilien verschwägert waren. (Eine
umfassende Genealogie dieser Familien wurde von Dorothea Weichbrodt
geb. v.Tiedemann 1988-1993 bei der Danziger
Verlagsgesellschaft
Paul
Rosenberg in 5 Bänden herausgegeben.)
Einer der bekanntesten Verwandten ist der Physiker Gabriel Daniel
Fahrenheit, 1686 in Danzig geboren, der mit der Erfindung
des
Quecksilber-Thermometers eine der Grundlagen für die modernen
Naturwissenschaften schuf. Seine Mutter war Concordia Schumann.
Mehrfach bestand Verschwägerung mit der Familie Giese, die bereits
seit 1430 in Danzig beurkundet ist. Tiedemann
Giese, Bischof von Kulm
und Vetter eines gleichnamigen Danziger Bürgermeisters, war
ein
enger Freund von Niklas
Koppernigk,
genannt Copernicus. Etliche der
Schumann-Ehefrauen waren Nachkommen der Thorner Kaufmannsfamilie
Watzenrode,
aus der die Mutter
des Astronomen stammte.
5.
Prussische Abstammung
Recht interessant ist,
was über den
Ursprung der Familie
Schumann berichtet wird. Der gesicherte Stammvater ist Michael
Schumann, ein Deutschordens-Ritter, der zur Zeit der
Tannenberg-Schlacht von 1410 lebte. Er gehörte nicht zu den
Rittern, die aus dem Deutschen Reich kamen, sondern er ist
altpreußischer Herkunft und soll ein Nachkomme des
Prussenfürsten
Skomand
sein. Diese
Überlieferung wird durch das "Lebensbuch" von
Gabriel-4 Schumann
gestützt, worin er sein "Geschlecht von denen
noch heydnischen Prussen" herleitet und bezeugt, "dass unter den
vornehmsten Geschlechtern dies Landes die Schuhmänner
gewesen".
Skomand war im Jahre 1264 ein mächtiger Fürst des
Prussenstammes der Sudauer. Seine Stammburg lag in Skomentnen am
Skomant-See östlich von Lyck. Der dort gefundene wertvolle
Silberschatz stammt wahrscheinlich aus seiner Familie. Skomand mag ihn
vergraben haben, als er im Jahrzehnte dauernden Kampf gegen den
Deutschen Orden keinen sicheren Ort mehr hatte.
Skomand war der letzte Prussenfürst, der als Anführer
der
Sudauer ein halbes Jahrhundert gegen den Orden kämpfte. Als er
im
Jahre 1280 aufgab, wurde seine Stammburg in Skomentnen
zerstört.
Der Stamm der Sudauer wurde getauft und vom Orden angesiedelt, teils im
späteren Masuren, teils im "Sudauerwinkel" im Samland. Auch
Skomand liess sich schliesslich mit seinen Söhnen taufen. Er
wurde
ein Gefolgsmann des Ordens und lebte auf der Ordensburg Balga am
Frischen Haff. "Hat sich nach seiner Bekehrung allerwegen bey dem Orden
getreulich und redlich verhalten". Als Ortskundiger, "der aller Wege
und Stege kundig war", war er für die Verwaltung des Landes
unentbehrlich. 1284 wurde er mit Steinen (= Steegen) bei Kanditten im
Kreis Pr.Eylau belehnt, wo um 1375 sein Nachkomme, Dietrich "Skomand
von Steinen" als Kolonisator unter dem Hochmeister Winrich v.Kniprode
beurkundet ist.
Um 1400 taucht Michael
Schumann
als ein Ordensritter auf. Angesichts
der Tatsachen, dass Ordensritter zumeist adeliger Herkunft waren, und
dass die im 17. Jahrhundert aufgeschriebene Überlieferung
behauptet, dass Michael Schumann von den "heydnischen Prussen"
abstammt, muss man ihn mit großer Wahrscheinlichkeit als
einen
Verwandten des Ordensmannes Dietrich Skomand und als einen Nachkommen
des Prussenfürsten Skomand ansehen. Nach der
Tannenberg-Schlacht
trat Michael Schumann 1417 aus dem Orden aus, ging an den pommerschen
Hof und wurde in der Gegend von Konitz belehnt. Von dort zog 1556 der
erste Schumann nach Danzig.
Die Zeus-Statue auf dem Giebel der Schumann-Hauses wurde denn auch in
der Familie scherzhaft als Skomand tituliert.
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Unter den beachtlichsten Kunstwerken, die von den Prussen
erhalten sind, gibt es einige Meter-große mittelalterliche
Steinskulpturen, die menschliche Figuren darstellen, vielleicht
Monumente oder Grabmäler für bedeutende Prussenfürsten. Diese
Figuren haben stets ein Horn in der Hand, in dem man ein Symbol der
Fürstenwürde vermuten kann. Wenn nun das
Schumann-Wappen
Hörner zeigt: ist das ein deutliches Zeichen für ihre
prussische Herkunft? Eindeutig ist das nicht, denn Hörner gibt
es
auch in Wappen von Familien, die keinesfalls prussischer Herkunft sind.
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6.
Polens Aurea Porta
Seit der Trennung vom
Deutschen Orden
gehörte Danzig zur
polnischen Krone, freilich nicht zum polnischen Staat. Der
König
von Polen war in Personalunion nicht nur Großfürst
von
Litauen sondern nun auch ein Schutzherr der preußischen
Städte, zum wirtschaftlichen Vorteil von beiden Seiten. Danzig
wurde zur "Aurea Porta", zur Goldenen Pforte Polens. Dies war der Titel
der prächtigen Ausstellung zur 1000-Jahr-Feier. Danzig hatte
sich
aus der antiquierten Herrschaft des zerfallenden Deutschen Ordens
gelöst und sich freiwillig dem polnischen König
unterworfen,
weil dieser den Danzigern ihre Privilegien verbriefte. Die
königlichen Dekrete, die der Stadt weitgehende Freiheiten in
Handel und Politik bestätigten und die Gabriel-5 Schumann
in
seinem Buch zusammenstellte, begründeten Danzigs Glanz und
Reichtum. Andererseits profitierte Polen vom Unternehmertum der
Danziger Kaufleute. Es war eine eigenartige politische
Verknüpfung, die beiden Seiten zum Vorteil gereichte.
Formell war der polnische König in Danzig durch den
"Burggrafen"
vertreten; der König hatte das Recht, den Burggrafen zu
ernennen,
aber er musste ihn aus dem Kreis der Danziger Ratsherren
auswählen. So wurden auch vier der zwölf Schumann-Ratsherren zu
Burggrafen ernannt.
Die Danziger bereiteten den polnischen Königen glanzvolle
Empfänge; aber sie wachten über ihre Freiheiten, die
sie
unter der polnischen Krone zu einem selbständigen
Stadtstaat machten. Über Gabriel-4
Schumann wird berichtet, dass
er "die Rechte der Stadtregierung mit viel Rechtskenntnis und
Gewandtheit gegen König Johann den III. verteidigte", obgleich
dieser ihn zu seinem Burggrafen ernannt hatte.
Als Danzig 1793 und schließlich 1814 preussisch wurde, war
die
Sonderstellung Danzigs weitgehend beendet. Das Schumann-Haus im Herzen
der Stadt wurde aufgegeben, und viele der Schumann-Söhne
fanden in
anderen preussischen Städten neue Wirkungsstätten.
Jedoch
blieb ein Familienzweig in Danzig bis zum bitteren Ende.
Zu den Bildern:
Fotos des Autors; Familienarchiv Lemmel;
Biblioteka PAN (Bibliothek der Polnischen Akademie der Wissenschaften,
vormals Stadtbibliothek Danzig);
Teresa Grzybkowska: Muzea Gdańska, Arkady-Verlag Warschau 1996;
Danziger Hauskalender 1998.
Ende
Einige Ergänzungen:

• Hier sehen
Sie Agatha Constantia
Groddeck
geborene Schumann, geboren 1743, die den
späteren Danziger
Bürgermeister Michael Groddeck
heiratete. Leider starb sie schon kurz nach der Heirat im Alter von 18
Jahren. Der betrübte Witwer ließ ihr Konterfei in
Kupfer
stechen, wovon
mir 1997 ein Abdruck in der Danziger Stadtbibliothek vorgelegt wurde.
Ein anderer Abdruck wurde in goldenem Rahmen in der
1000-Jahre-Danzig-Ausstellung aufgehängt. Michael Groddeck
heiratete ein zweites Mal, bekam 8 Kinder, darunter eine Tochter Renate
Agathe, die den späteren Danziger Bürgermeister Ernst
Schumann
heiratete und so nicht nur unsere Ahnfrau wurde sondern auch First Lady
im Freistaate Danzig. Ihr Vater, Michael Groddeck, wurde in den
preußischen Adelsstand erhoben. Am östlichen
Mottlau-Ufer in
Danzig gibt es zwei große Speicher-Bauwerke names "der
große Groddeck" und "der kleine Groddeck". Alle Danziger
Ratsfamilien waren Kaufleute, die Schiffe und Speicher hatten und,
hauptsächlich, polnisches Getreide nach Holland und
Westdeutschland verkauften. (HDL 1997)
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• Im Jahre 2010 gab es in Danzig Blechdosen mit der
Abbildung des
Schumann-Hauses zu kaufen, die mit den Lebkuchen gefüllt
waren,
die vormals "Thorner Katharinchen" hießen und von der Firma
Weese
in Thorn erzeugt worden waren. (Meine Eltern waren mit der Familie
Weese eng befreundet, und 1943 wurde Frau Weese die Patentante meines
Bruders.) So hatte ich also eine doppelte Beziehung zu diesen
Lebkuchen-Dosen von 2010. Jetzt heißt die Lebkuchen-Firma
"Kopernik - Torunskie Pierniki".
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Ein Druck unbekannter Herkunft in meinem Besitz.
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