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Sembritzki-Index
Eine teils gekürzte, teils ergänzte Fassung dieses Aufsatzes wurde gedruckt in
Altpreußische Genealogie Band 51, 2021, Seiten 145-168.
Familie
Sembritzki aus Masuren
von
Hans-Dietrich Lemmel (HDLemmel@lemmel.at)
Einleitung
Meine
Mutter war eine geborene Sembritzki aus Königsberg, und schon in den
1930er Jahren begann mein Vater Dr. Gerhard Lemmel, Arzt in
Königsberg (dann in Bremervörde), ihre Familie zu erforschen. Um
1970 setzte er die Forschungen im Staatsarchiv Göttingen fort. Durch
Anschreiben von Telefonbuch-Adressen erhielten wir dann Kontakt mit
vielen Sembritzkis, die ihre Familiendaten mitteilten. Die
resultierenden Stammfolgen mit etwa 800 Namensträgern wurden 2008
gedruckt .
Weiteres dazu (Texte, Stammtafeln, Abbildungen) kann man in meinem
genealogischen "Lemmel-Archiv"
im Internet finden. Dazu möchte ich hier vier Kapitel vortragen:
1.
Sembritzki-Güter in Masuren
2.
Einige Schriftsteller
3.
Die ersten Sembritzki-Urkunden 1526, 1570, 1664.
4.
Die Sembritzkis vom Masergut
____________________________
1.
Sembritzki-Güter in Masuren
Die
Familie Sembritzki gehört zu den ältesten Bauerngeschlechtern
Ostpreußens. Bis 1945 gab es in Masuren, besonders in den Kreisen
Lyck und Treuburg, eine stattliche Anzahl von Bauernhöfen im Besitz
von verschiedenen Zweigen der Familie, aus der auch Handwerker,
Arbeiter, Lehrer, Kaufleute, Akademiker, Schriftsteller und
preußische Verwaltungsbeamte hervorgingen.
Noch
im 15. Jahrhundert war das südöstliche Ostpreußen eine Wildnis,
die nach heutigen Maßstäben kaum Einwohner hatte. Der Deutsche
Orden kolonisierte das Land durch Errichtung von Burgen und Dörfern.
Die Besiedlung der Dörfer erfolgte durch preußische Ureinwohner,
zuströmende deutsche Bauern und, besonders nach dem 2. Thorner
Frieden 1466, als das Ordensland unter polnische Lehenshoheit kam,
durch Bauern und Kleinadelsfamilien aus dem südlich angrenzenden
polnischen Herzogtum Masowien.
Aus der polnischen Namensendung
zu schließen, mag die Familie Sembritzki zu den masowischen
Zuwanderern gehören. Der Name wird aber auch von dem altpreußischen
Stamm der Samben hergeleitet ,
der noch in dem Namen der Landschaft "Samland" zu erkennen
ist. Da es aber auf der masowischen Seite der ostpreußisch-polnischen
Grenze einen Ort namens Zambrzyce gibt (südlich des Narew, zwischen
Lomza und Bialystok), neige ich zu der Annahme, daß der erste
Sembritzki aus Zambrzyce kam und daß sein Familienname aus der
Herkunftsbezeichnung entstand. Freilich ist es möglich, dass der
Ortsname Zambrzyce von dem Preußen-Stamm der Samben abzuleiten wäre,
denn das ursprüngliche Siedlungsgebiet der preußischen Stämme
erstreckte sich beträchtlich über die Grenzen Ostpreußens hinaus.
Die
erste Beurkundung von 1526 betrifft einen Stanislaw Szembrzitzky aus
Masowien in Rydzewen, halbwegs zwischen Lyck und Oletzko/Treuburg.
Sein mutmaßlicher Enkel ist Martin Sembriczky, 1570 im "Gebiet
von Oletzko", mit sieben Söhnen, die die Stammväter der
Sembritzkis in Masuren sein müssen. Einer der Nachkommen, Peter
Sembritzki 1664 in Schikorren, hatte wiederum vier Söhne.
Sembritzki-Höfe
gab es in Schikorren/Wellheim (erste bekannte Sembritzki-Urkunde
1664), Czarnowken/Grundensee (um 1680), Drygallen/Drigelsdorf (1705),
Lesniken/Kleinheinrichstal (1719), Grünheide (1742),
Bartossen/Bartendorf (1750), Gorlen/Aulacken (1750), Graywen (1756),
Grondzken/Funken (1756), Friedrichsheide (1763), Pietzarken/Bergensee
(1780), Duttken/Sargensee (1810), Plotzitznen/Bunhausen (1823),
Rumeyken (1847), Upalten (1853), Sawadden/Auglitten (1856), Kukowken/
Heinrichstal (1885) und viele mehr. Die hier angegebenen Jahreszahlen
sind die der ältesten mir bekannt gewordenen Sembritzki-Urkunden.
Dabei kann man meist annehmen, daß der Hof schon geraume Zeit vorher
im Familienbesitz war.
In
vielen Orten gab es mehrere Sembritzki-Familien, die nicht wussten,
wie sie mit einander verwandt waren. So zum Beispiel in
Plotzitznen/Bunhausen ,
wo es bis 1945 zwei Sembritzki-Höfe, ein Insthaus Sembritzki, sowie
einen Tischler und einen Stellmacher dieses Namens gab .
1.
Zwei Sembritzki-Höfe und ein Insthaus Sembritzki in
Plotzitznen/Bunhausen, an der Straße nach Rumeyken. (Rechts im Bild
ist Norden.)
Ursprünglich
waren sie "Köllmer", das sind freie Bauern nach "Kulmer
Recht", oder "Freye" nach "magdeburgischem
Recht", die direkt dem preußischen Herzog oder, ab 1701, dem
König unterstanden, der durch einen Amtmann vertreten war.
Sehr
wohlhabend waren sie nicht. 1719 hatte Peter Sembritzki, einer von
elf Freyen in Schikorren/Wellheim, 2 1/2 Huben (etwa 70 Morgen) Land,
dazu 2 Ochsen, 1 Kuh, 1 Pferd, 3 Schafe. Das ist der drittgrößte
Besitz im Dorf. So ist es im "Generalhubenschoß" des Amtes
Oletzko
von 1719 verzeichnet.
Ein Zembritzki ,
dessen Vorname nicht genannt ist, saß um 1680 in
Czarnowken/Grundensee auf dem Schulzenhof, etwa vergleichbar mit
einem dörflichen Bürgermeister. Selbst als Schulze besaß er nicht
mehr als 1 weißbunten Ochsen, 1 rote Kuh, 1 schwarzes Pferd, 4
Schweine, 1 altes Wohnhaus, 1 Ställchen, 1 Scheune, 1 alten
"abgebrauchten" Wagen ohne Beschlag, 1 messingnen Mörser,
sowie 1 eisernen Dreifuß, wie es 1713 im Erbvertrag seiner acht
Kinder, der "Zembritzschen Erben", angegeben ist.
2.
Czarnowken 1713: "...sämbtliche Zembritzschen Erben..."
Sein
Neffe Johannes besaß den Schulzenhof in Drygallen/Drigelsdorf
im Amt Johannisburg, wo er selbst, sein Sohn und auch noch sein Enkel
das ganze 18. Jahrhundert hindurch als Landschöppen und Amtskämmerer
wirkten. Die Schreibweise des Namens ist variabel: Ziembrzicki,
Zembrzyczki, Zembritzki, Sembritzki, u.a.
Die
Besitz-Verhältnisse fluktuierten. Gelegentlich erbte den Hof ein
Schwiegersohn, während der Sohn einen anderen Hof erheiratete. Die
Söhne, die keinen Hof übernehmen konnten, wurden Arbeiter
("Losmann" oder "Instmann"), Handwerker,
besonders häufig Schuster oder Schneider, die in die Städte Lyck
und Königsberg abwanderten. Häufig findet man Sembritzkis als
Lehrer, gelegentlich auch als Förster oder Kaufmann. Außer den
masurischen Sembritzki-Höfen gab es später auch Güter in
Hinterwalde im Kreis Kreuzburg, Zinten im Kreis Heiligenbeil, sowie
den Gutsbesitzer Rudolf Sembritziki in Nodems bei Palmnicken. Ein
Bruder des letzteren, Gustav Sembritzki, wurde 1864 Stadtverordneter
in Fürstenwalde an der Spree, wo es heute noch eine Sembritzkistraße
gibt. In der Nähe kaufte er sich ein Gut, das er Palmnicken
nannte.
Zwischen 1765 und 1799 tauchten in Königsberg gleich
sechs Kaufleute namens Sembritzki
auf, die alle aus dem Raum um Treuburg und Lyck stammten und im
Bürgerbuch als "Händler mit polnischen Waren" eingetragen
wurden, als "Gewürzapotheker" oder "auf den Handel
mit seidenen, baumwollenen, wollenen und sonstigen
Manufactur-Waaren". Einer von ihnen, Friedrich Sembritzki aus
Lyck, ging nach der polnischen Teilung von 1795 als preußischer
Verwaltungsbeamter in das preußisch gewordene litauische
Olita/Alytus an der Memel, von wo er sich wieder zurückziehen
musste, als Olita 1807 polnisch wurde. Er wurde dann "königlicher
Salz-Controlleur" in Neufahrwasser bei Danzig, und seine
Nachkommen findet man dann in vielen preußischen Landesteilen
zwischen Pregel und Rhein.
Der Handel konnte die Königsberger
Kaufleute bis nach Übersee führen. Gottfried Sembritzki,
Lehrerssohn aus Oletzko/Treuburg, heiratete 1799 in Schottland. Unter
seinen Nachkommen gibt es den Schuhfabrikanten Ferdinand Sembritzki
in der Kneiphöfischen Langgasse, den Königsberger
Schiffsbau-Ingenieur Rudolf Sembritzki, die Papierfabrikanten Henry
Sembritzki in Königsberg und Max Sembritzki am Semmering in
Österreich, sowie den Juristen Martin Sembritzki, der um 1900
Stadtrat in Königsberg war und ab 1920 Bezirksbürgermeister von
Berlin-Steglitz wurde. Nach ihm wurde eine Straße in
Berlin-Lichterfelde benannt.
3
3.
Max Sembritzki, *1844 in Königsberg, Direktor der k.k. Papierfabrik
Schlöglmühl in Gloggnitz am Semmering (Österreich).
4a
4b
4a.
Martin Sembritzki, *1872 in Königsberg, Stadtrat in Königsberg,
dann 1921-1933 in Berlin, Bezirksbürgermeister von Steglitz.
4b.
Sembritzkistraße in Berlin-Steglitz.
Ludwig
Sembritzki, der 1821 "im Kreis Oletzko" geboren wurde, ging
1872 mit drei Söhnen nach Texas, wo heute eine zahlreiche
Nachkommenschaft lebt.
Die
weitaus meisten Sembritzkis gab es aber in Masuren, bis 1945. Dazu
möchte ich hier eine Zeichnung wiedergeben, die Ernst Sembritzki
von den zuletzt bestehenden Sembritzki-Höfen in Wellheim/Schikorren
anfertigte, in dem Ort, wo bereits 1664 Peter Sembrisky mit seinen
vier Söhnen gesessen war.
5.
Die Sembritzki-Höfe in Wellheim bis 1945. Hier war erstmals 1664
ein Sembritzki-Hof beurkundet.
Die
Sembritzki-Geschichte in Ostpreußen endete 1965 mit der Aussiedlung
des Bauern Walter Sembritzki aus Schwentainen Kreis Treuburg, vier
ein halb Jahrhunderte nachdem der erste urkundlich belegte Sembritzki
in Rydzewen sesshaft wurde.
Heute
leben über 150 Sembritzki-Familien in allen Gegenden Deutschlands
und in Amerika, in den verschiedensten Berufen.
____________________________
2.
Einige Schriftsteller
Verschwägert
mit der Familie Sembritzki sind die beiden masurischen Heimatdichter
Fritz und Richard Skowronnek .
Von letzterem gibt es den Roman "Der weiße Adler", in dem
in dramatischer Weise das Vordringen des Polentums in Masuren in der
Zeit vor dem Ersten Weltkrieg geschildert wird. Nachdem Preußen in
der "Polnischen Teilung" slawische Gebiete annektiert
hatte, war Masuren für polnische Einwanderer offen und durch keine
Grenze geschützt. In diesem Roman ist der erste Pole, der einen
zuvor deutschen Grundbesitz in der Gegend von Lyck kauft, ein "Graf
Zembricki" aus dem Posenschen. Dieser Graf ist erdichtet, und
Richard Skowronnek hat dabei den Familiennamen Sembritzki aus seiner
Verwandtschaft verwendet, wohl in der damals verbreiteten Annahme,
daß diese Familie von polnischem Adel abstamme.
Der gleichen
Problematik widmete sich auch der Schriftsteller Johannes Sembritzki
(*10.1.1856 in Marggrabowa, † 8.3.1919
in Memel), der der meist zitierte Sohn der Familie ist. Sein
Lebenslauf und seine Herkunft illustrieren die deutsch-polnische
Problematik in Ostpreußen.
Die alt eingesessenen
masurischen Familien wie die Sembritzkis mögen zwar einen polnisch
aussehenden Namen haben, waren aber deutschsprachig und
protestantisch. Später zugewanderte Polen behielten oft die
polnische Sprache und ihre katholische Religion bei. Es gab dann auch
einen polnisch sprechenden, evangelischen Sembritzki-Zweig, aus denen
Jan Zembrzicki, ein Arbeiter (Instmann) in Kruglanken stammt. Jans
Sohn Carl, der Vater des Schriftstellers, wurde deutscher Schullehrer
in Mierunsken/Merunen und in Marggrabowa/Treuburg. Seine 1856 und
1858 geborenen Söhne aber wurden Apotheker und Arzt - ein
bemerkenswertes Beispiel für einen in Ostpreußen damals möglichen
sozialen Aufstieg, vom Instmann zum Doktor.
6.
Johannes Sembritzki, 1911 zu seinem 10-jährigen
Schriftsteller-Jubiläum.
Der
Pharmazeut Johannes Sembritzki verwendete die Einnahmen aus seiner
Apotheke zur Schriftstellerei, teils nebenberuflich, zeitweise
hauptberuflich. Er war deutsch aufgewachsen, erlernte dann aber die
polnische Sprache, fing an, seinen Namen in polnischer Schreibweise
zu schreiben, wurde katholisch und gründete in Osterode die
Wochenzeitschrift "Mazur", in der er sich dafür einsetzte,
die polnisch sprechenden Bevölkerungsanteile Masurens nicht zu
germanisieren. In "Mazur" veröffentlichte auch
Gottlieb/Bogumil Skowronnek
"aus Polommen", ein polnisch schreibender Onkel der beiden
deutsch schreibenden Skowronnek-Brüder.
Als
Johannes Sembritzki sogar verlangte, dass jeder Pole ein Katholik
sein sollte, erzeugte er den Widerspruch der evangelischen polnisch
sprechenden Masuren. Schließlich hatte er mit seinen Ideen und Taten
keinen Erfolg und zog sich 1893 aus der Öffentlichkeit zurück. Er
wechselte wieder zum Protestantismus und zur deutschen Schreibweise
seines Namens, lebte fortan als Apotheker in Memel und widmete sich
den historischen Wissenschaften.
Seine bedeutenden Arbeiten,
die teils noch nach seinem Tod 1919 in zweiter Auflage erschienen,
sind gründliche Geschichtswerke über die Stadt Memel, den Kreis
Memel und den Kreis Heydekrug .
Diese Werke enthalten auch Quellen zu Hanß Kandt und Richard Cant,
Großvater und Urgroßvater von Immanuel Kant .
7a
7b
7.
Johannes Sembritzki: Geschichte des Kreises Memel, 1914, und:
Geschichte der Hansestadt Memel, 2.Auflage 1926.
Nach
der Sembritzkistraße in Memel (heute litauisch: Johanas Sembrickio
gatve) wurde auch im polnischen Olecko eine Straße nach ihm benannt:
Ulica J.K.Sembrzyckiego ,
und zwar die ehemalige Seestraße .
8a
8b
8.
Die Sembritzkistraße 1991 in Olecko, ehemals Seestraße.
Ein
weiterer Schriftsteller ist Emil Sembritzki .
Nach einer Zeit als Lehrer in Masuren wurde er der erste Leiter der
Kaiserlichen Gouvernements-Schule in Victoria in Kamerun. Darüber
schrieb er mehrere Bücher .
Nach seiner Rückkehr nach Berlin untersuchte er in Flur- und
Ortsnamen "Slawenspuren auf deutschen Fluren".
9.
Emil Sembritzki, "Durch Urwald und Grasland in Kamerun",
Berlin 1918
Als
Kuriosum ist zu vermelden, dass nach dem "Grafen Zembricki",
dem Romanhelden von Richard Skowronnek, abermals ein Sembritzki in
der Literatur auftauchte. Der Schweizer Krimi-Schriftsteller Peter
Zeindler erfand 1984 den aus Masuren stammenden BND-Agenten Konrad
Sembritzki als den Helden eines mehrbändigen Agenten-Thrillers .
____________________________
3.
Die ersten Sembritzki-Urkunden
Markgraf
Albrecht von Brandenburg-Ansbach, Hochmeister des Deutschen Ordens
und seit 1525 protestantischer Herzog in Preußen, soll sich mit
seinem Vetter, dem polnischen König Sigismund August, am Oletzko-See
getroffen haben. Sie beschlossen, hier Städte zu gründen und damit
ihre Namen zu verewigen: Marggrabowa auf der preußischen Seite der
Grenze, Augustow auf der polnischen Seite. Zu dieser Zeit galt die
polnische Sprache als vornehm, und so wurde die 1560 gegründete
Stadt nicht Markgrafenstadt sondern Marggrabowa genannt (später
Treuburg).
10a.
Markgraf Albrecht
10b. Sigismund II. Augustus
11.
Skizze der wichtigsten Sembritzki-Orte
In
diesem Umkreis liegt der Ursprung der Familie Sembritzki. Die älteste
urkundliche Erwähnung des Namens befindet sich in einer Urkunde
aus dem Jahre 1526, als der Burggraf von Stradaunen, Peter
Schwarz, in Rydzewen ein Waldstück verkauft, das vormals dem
Stanislaw Szembrzitzky aus
Masowien gehört hatte. Der kleine Ort Rydzewen, der später in
Schwarzberge umbenannt wurde, liegt auf halbem Weg zwischen
Marggrabowa und Lyck. Stanislaw Szembrzitzky ist also vor geraumer
Zeit, vielleicht schon um oder vor 1500, aus dem polnischen Herzogtum
Masowien in das Ordensland gekommen, wo er vom Orden einen Besitz
verschrieben bekam, zu dem auch das Waldstück gehört hatte, das
1526 verkauft wurde. Der in dieser Urkunde genannte Peter Schwarz war
Burggraf von Stradaunen. Das war der Amtssitz, bevor das Schloss
Oletzko gebaut wurde.
Die nächste bekannt gewordene
Sembritzki-Urkunde
stammt aus dem Jahr 1570, als "Martin
Sembriczky aus dem olieczischen gebitte", also aus dem
Amt Oletzko, eine Eingabe an das Kammeramt Oletzko macht, wegen eines
Gutes von 4 Huben. Die Eingabe ist in deutscher Sprache, und Martin
Sembriczky scheint sie selbst geschrieben zu haben.
12a
12b
12. Martin Sembriczky 1570.
a.
Die Unterschrift unter dem womöglich eigenhändigen Schreiben an den
Amtmann;
b.
Die Aufschrift auf dem Akt in der Handschrift des Amtsschreibers.
Er
beantragt, das vier Huben große Gut seines Schwiegervaters Jan
Hesnick übernehmen zu dürfen. Martin Sembriczky, dessen Frau das
einzige Kind Jan Hesnicks ist, hat sieben Söhne, von denen der
älteste (vielleicht 14 Jahre alt) auf dem Gut des Großvaters dient.
Den anderen Sohn "halte ich armer Mann zur Schule - wie der
vorige Hauptmann Cristow Glauberz gewiesen hatte". Mit den
sieben Söhnen (und womöglich auch noch Töchtern) ist Martins
Geburtsjahr auf etwa 1525/1530 zu schätzen, so dass er ein Sohn oder
Enkel des Stanislaw Szembrzitzky sein kann. Der Schwiegervater
Hesnick ist also in beträchtlichem Alter und da er keinen Sohn hat
und seine Huben nach magdeburgischem Recht verliehen sind, würde das
Gut nach seinem Tod an den Amtmann zurückfallen. Der könnte dann
entscheiden, wem er das Gut verleiht, oder er könnte das Gut auch
"zu magdeburgischem Recht zu beiden Kindern" widmen,
wodurch auch eine Tochter erbberechtigt würde .
Jedenfalls scheint Martin Sembriczky das Frey-Gut seines
Schwiegervaters Jan Hesnick
übernommen zu haben. Von seinen sieben Söhnen dürfte einer dann
das Hesnick-Gut geerbt haben, während die Brüder in andere
Frey-Güter der Umgebung eingeheiratet haben mögen, so dass sie die
Stammvater aller späteren Sembritzki's wurden, unter denen es viele
Freye gab.
Leider
wird nicht erwähnt, wo das Gut lag, das Martin Sembriczky von Jan
Hesnick übernahm. Da die nächste Sembritzki-Urkunde ein Gut in
Schikorren (= Wellheim) betrifft, kann man vermuten, dass das 1570
erwähnte Gut auch in oder um Schikorren lag. Zudem liegt Schikorren
nur 7 km entfernt von Rydzewen, dem Sembritzki-Ort von 1526. - Die
Gegend um Schikorren und Rydzewen liegt im Süden des damaligen Amtes
Oletzko und kam erst 1818 an den Kreis Lyck. Diese Gegend liegt genau
in der Mitte des Gebietes, in dem sich später die
Sembritzki-Vorkommen häufen, und noch im 20. Jahrhundert gab es in
Schikorren (= Wellheim) zwei Sembritzki-Höfe.
13.
Schiekorrenn 1664: Peter Sembirsky (schwer lesbar), "hatt 4
Erben".
Die
Schikorrener Sembritzki-Urkunde wurde von Martin Kwalo
berichtet und auf 1664 datiert. Es ist eine Liste der
Scharwerks-Freyen von Schikorren, darunter an erster Stelle "1
Hube 15 Mo. Peter Sembirsky (schwer lesbar), von seinen VorEltern
geerbt, Gibt keine Documenta, außer des Dorffß Zeugnüß. Hatt 4
Erben." Der nächste genannte Besitzer hat eine Verschreibung
von 1644. Sembirsky, ohne Dokument, hat den Hof geerbt. Demnach saß
auf diesem Gut bereits um 1630 Peters Vater, und dessen Vater muss
einer der sieben Söhne des 1570 genannten Martin Sembriczky gewesen
sein.
Im alten Preußen gab es kaum leibeigene Bauern (wie
andernorts in Deutschland) sondern vorwiegend "Freye", die
dem Herzog unterstanden, der durch einen Amtmann vertreten war. Die
Rechte und Pflichten der Freyen waren in "Handfesten"
niedergelegt, wobei man einige Abstufungen unterscheiden muss. Es gab
Freye nach kulmischem Recht ("Köllmer") und Freye nach
magdeburgischem Recht, zu denen auch die beiden Sembritzki's von 1570
und 1664 gehören. Die Sembritzki-Urkunde von 1664 ist ein
Verzeichnis aller "Scharwerks-Freyen"; diese müssen an den
herzoglichen Amtmann regelmäßig genau festgesetzte Naturalien als
Steuer abführen, können aber auch zu Kriegsdienst und zu
Scharwerks-Arbeiten, das sind Bauarbeiten an der Amtsburg und an
Grenzbefestigungen, herangezogen werden.
Im Jahre 1664 ist
Peter Sembrisky der einzige Sembritzki unter den Scharwerks-Freyen
des Amtes Oletzko. Er dürfte daher mit seinen vier Söhnen der
Ahnherr vieler Sembritzki's im Kirchspiel Straudaunen sein, zu dem
Schikorren (= Wellheim) gehört. Gleichzeitig mit Peter kann es aber
weitere Sembritzki's gegeben haben, die köllmische Freye waren und
daher in dem Verzeichnis der Scharwerks-Freyen nicht enthalten sind -
oder Sembritzki's, die keinen Hof erben konnten und andere Berufe
ausübten.
____________________________
4.
Die Sembritzkis vom Masergut
In
Schwentainen gibt es um 1740 vier Taufen
von Sembritzki-Kindern, die später nach Königsberg gehen :
1.
1737 (Nr.7) Gottfried Zembrzicky. Er heiratet 1765 in Königsberg als
Kauf- und Handelsmann in der Altstadt und wird dann Gewürzkrämer in
Sackheim und Kirchenvorsteher in Löbenicht.
2.
1739 (Nr.17) Daniel Zembrzicky. Er wird Lehrer in Oletzko. Seine
Söhne gehen nach Königsberg: Gottfried als Seidenhändler und
"Mäkler in Wechseln" mit sehr vielen Nachkommen; Samuel
als Handlungsdiener, der 1817 stirbt.
3.
1741 (Nr.53) Albert Zembrzicky. Er stirbt 1773 als Kaufgesell in
Königsberg
4.
1744 (Nr.49) Lovisa Zembrzicky. Sie stirbt 1776 in Königsberg.
Der
Vater der Täuflinge ist "Piotr Zembrzicky von Masergüttgen".
Die Mutter der Kinder ist nicht angegeben. Wer ist das? Woher der
soziale Wandel der Kinder?
Die
Lage des "Masergüttgens" im Kirchspiel Schwentainen konnte
lange nicht bestimmt werden. Schließlich brachte ein 1986
erschienenes Buch
von Helmut Bieber die Klärung: "Wronken - ein Dorf in Masuren",
mit einem Landkarten-Ausschnitt von 1796 .
14.
In der Mitte das Dorf Wroncken, links davon das Gut Wessolowen,
darüber das Maserguth. Rechts unten das Kirchdorf Schwentaynen.
Westlich
des Dorfes Wronken (= Fronicken) liegt das Gut Wessolowen (=
Kleinfronicken), von dem bald nach der Gründung das 5 Hufen große
adlige "Masergut" im Jahre 1575 abgeteilt wurde. Es ist ein
recht kleines Gut, so dass es nicht überrascht, wenn es im
Kirchenbuch als "Masergütchen" bezeichnet wird.
Gelegentlich wird es "Klein-Wessolowen" genannt. Um 1820
wurde es mit dem Gut Wessolowen wieder vereinigt. Es gehört zum
Kirchspiel Schwentainen, zum Amt Polommen und zum Kreis Oletzko (=
Treuburg). Im Jahre 1818 ist "Maserguth" ein "adliges
Hauptgut"
mit einer Feuerstelle und 5 Seelen. Die letzten Gutsgebäude
verschwanden, als 1907 quer über das Masergut die Eisenbahn
Lötzen-Treuburg gebaut wurde.
15.
Nach dem Bau der Eisenbahn 1907 ist das Masergut verschwunden.
Wroncken heißt jetzt Fronicken, und das Gut Wessolowen heißt jetzt
Kleinfronicken.
Piotr
Zembrzicky muss in den Jahren seiner Kindstaufen 1737-1744 auf dem
"adligen" Masergut gesessen sein. Wer besaß es vorher und
nachher? Aus dem Staatsarchiv Dahlem gab es klärende Urkunden .
Hans
Albrecht v.Bergen ,
der 1664 geboren wurde, saß 1732 auf dem Gut Wessolowen und dem
benachbarten kleinen Masergut. Bald darauf starb er. Am 19.7.1735
heißt es unter "Actum Maser Gütchen" :
"Frau Eigentümerin verwittibte Frau von Bergin kommt und klaget
mit weinenden Augen, daß sie auch dieses Jahr großen Mißwuchs
erlitten, und lammentiert wie sie sich mit ihren Kindern das Jahr
durch wirdt ernaehren oder Vieh unterhalten können...".
16.
Maser Gütchen 1735: "Frau Eigentümerin verwittibte Frau von
Bergin..."
Weiter
ist die Witwe v.Bergin 1746, 1749 und 1755 für das Masergütchen
beurkundet .
1749 sind drei Söhne angeführt: Georg Fridrich, 47 Jahre alt, Adam
Otto, 35, und Johann Jakob, 29. Die Söhne sind also zwischen 1702
und 1720 geboren, so dass die Mutter, die spätere Witwe v.Bergen,
etwa kurz nach 1680 geboren sein muss. Sie ist also wesentlich jünger
als ihr Mann und hat ihn dann auch um rund 20 Jahre überlebt. 1766
beantragen die Gebrüder George Wilhelm und Lieutenant Hans Jacob
v.Bergen den Verkauf "ihres Adel: Güttchens Maserguth" an
ihren Neffen Johann Christoph v.Bergen, und bekommen den Verkauf 1768
beurkundet .
17.
Verkauf des "Adel:Güttchens Maserguth" 1768.
18.
v.Bergen auf dem Masergut
Wenn
hier 1737 bis 1744 "Piotr Zembrzicky von Masergüttgen" im
Kirchenbuch verzeichnet ist, gibt es eine mögliche und durchaus
wahrscheinliche Erklärung: er muss mit einer Tochter v.Bergen
verheiratet gewesen sein. Sie und die Kinder Zembrzicky sind nicht
erbberechtigt und können daher nicht auf dem kleinen Gut bleiben.
Ihre Brüder v.Bergen sind Offiziere und vermitteln so den
Zembrzicky-Kindern die Kaufmannslaufbahn in Königsberg. Außer den
Piotr-Söhnen taucht in Königsberg auch ein Michel Zembritzky auf,
Apotheker und Gewürzhändler, geboren um 1748/1752 "im Amt
Polommen". Er könnte ein weiterer Sohn von Piotr sein, oder ein
Neffe. In Königsberg wird der Familienname dann meist in der
deutschen Form Sembritzki geschrieben.
Wo
"Piotr Zembrzicky von Masergüttgen" geboren wurde, konnte
nicht ermittelt werden. Wahrscheinlich stammt er aus dem Frey-Gut
Schikorren, wo 1664 der ältere Peter Sembrisky saß mit seinen vier
Söhnen. Verwandtschaft gab es wohl auch in den benachbarten Dörfern
Grünheide und Friedrichsheide
Der
Name des Masergutes geht zurück auf die Besitzer namens Maaß/Maaßen.
1590/1593 wird "Michel Maßen von der Juch außem Holetzschen"
erwähnt (geboren etwa 1520, grob geschätzt) mit Tochter Katharina
und Sohn Marczin Maas ,
also aus Jucha im Gebiet von Oletzko. Letzterer ist 1576 als Merten
Maaß erster Besitzer eines Gutes, das 1575 vom Gut Wessolowen
abgeteilt wurde und später Masergut genannt wurde. Mertens Frau, die
die Tochter von einem "Frey aus Neu-Jucha" war, erhielt von
ihrem Stiefvater Ambrosius v.Kolbitz 5 Hufen des Gutes Wessolowen als
Leibgedinge .
Der Sohn Michel v.Maaßen sitzt 1599 auf dem Masergut, das 1609
"adlige Qualität" behält. Dessen Enkel ist Wolf Friedrich
v.Maaßen auf dem Masergut, dessen Erben 1714 genannt sind, darunter
Catharina Barbara verheiratete v.Bergen, die 1735-1753 als "Witwe
v.Bergin" auf dem Masergut lebt, siehe oben.
19.
v.Maaßen auf dem Masergut
Die
v.Bergen und v.Maaßen dürften also die mütterlichen Vorfahren der
Sembritzkis vom Masergut sein.
Unter
ihren vielen Nachkommen ist wahrscheinlich auch der Seilermeister
Willy Sembritzky in Greifswald, über den eine DDR-Illustrierte
berichtete .
Als Flüchtling aus Königsberg hatte er die Tochter einer alten
Greifswalder Seiler-Familie geheiratet. Sein Großvater, Friedrich
Sembritzky in Königsberg, stammte von einem ostpreußischen Gut,
aber die Familienunterlagen sind 1945 verloren gegangen .
20.
Der Seilermeister Willy Sembritzky 1986 in Greifswald.
Die
Abbildungen
Quellen
1.
Lageplan der Sembritzki-Höfe in Plotzitznen. Ausschnitt aus einer
Zeichnung in einem "Hagen-Lycker Brief" der
Kreisgemeinschaft Lyck, Jahrgang nicht notiert, S.58.
2.
Ausschnitt aus GStA, Generalhubenschoss 1719 für Oletzko, Band 9,
S. 377.
3.
Titelblatt "Der Lichterfelder" 19.Jg. Nr.74, Berlin 1992.
4.
Eigene Fotografie
5.
Zeichnung Ernst Sembritzki 1987
6.
Titelblatt Johannes Sembritzki: Zum 25-jährigen
Schriftstellerjubiläum am 10.1.1911. Privatdruck. Kopie aus
Familienbesitz, und: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz,
Berlin, Signatur Av 14 345.
7.
Titelblätter Johannes Sembritzki: Geschichte des Kreises Memel,
1914, und: Geschichte der Hansestadt Memel, 2.Auflage 1926.
8a.
Foto 1991 von A. Mrozek.
8b.
Skizze des Stadtplanes aus "Olecko, Olsztyn 1974.
9.
Buchumschlag Emil Sembritzki: "Durch Urwald und Grasland in
Kamerun", Berlin 1916.
10a.
Markgraf Albrecht, Herzog von Preußen. Gemälde von Lucas Cranach
d.Ä., 1528. (Internet, wikimedia commons).
10b.
Sigismund II August, König von Polen. Anonymer Künstler, um 1550.
(Internet, wikimedia commons).
11.
Landkartenskizze, eigene Zeichnung.
12.
Ausschnitte aus: Staatliches Archivlager Göttingen (später nach
Berlin-Dahlem verlegt), Etat-Ministerium 103 a-d 1181 I, rote
Paket-Nr.2937; Fotokopie durch Gerhard Lemmel 1970.
13.
Ausschnitt aus einer Urkundenkopie aus dem Archivlager Göttingen
(Signatur nicht bekannt), siehe Manfred Kwalo: Die Spezifikation der
Kleinen Freien im Amt Oletzko von 1664; in: Altpreußische
Geschlechterkunde, Neue Folge Band 14 1983 S.3.
14.
Landkartenausschnitt 1:200.000 von 1796 des Frhr.v.Schroetter, aus
Bieber, Wronken, S.63.
15.
Landkartenausschnitt 1:100.000 nach 1907, aus Bieber, Wronken,
Innentitel.
16.
Bieber, Wronken, S.27. Urkunde aus einem Ostpr.-Folianten, dessen
Nr. nicht angegeben.
17.
Ausschnitt aus GStA PK, XX.HA StA Königsberg, EM 103 d (Maserguth)
1768, Bl.247r - 249v.
18.
Stammtafel, eigene Zeichnung, nach Bieber, Wronken, S.26, und anderen
Urkunden.
19.
Stammtafel eigene Zeichnung, nach Bieber, Wronken, S.26.
20.
Foto 1986 von Manfred Zielinski, in: Neue Berliner Illustrierte 1988
Nr.23.
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Albrecht
von Brandenburg
Gemälde
von Hans Krell 1522, Kopie des 19.Jh. nach dem verschollenen
Original, im ev.-luth.Pfarramt Heilsbronn.
Ausstellungsprospekt
des Ostpr. Landesmuseums in Lüneburg, "Kunst aus dem D.O.Land
Preußen" 2001.
Alternativ-Bild
statt Abb.10a
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