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Zimmer auf Nausseden 1850-1937


                                                      Zimr

... Zimmer                      Carl Ludwig Strehl
*?1800                          *?1800
in Eydelen                      Rittergutsbesitzer auf
bei Landsberg                   Kowahlen im Kreis Oletzko
     │                                   │
Zimr-38/a                                │
Carl Ernst Rudolf Zimmer                 │
*1835                                    │
Rittergutsbesitzer auf   ∞ 1858 Marie Caecilie Francisca Strehl
Nausseden bei Zinten     │
                         │
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             Anna    Zimr-39/a     Adelheid
                     Ernst Zimmer  ∞ Eugen Bierfreund
                     *1861           Pfarrer in Tharau
                     Pfarrer in
                     Berlin
                     ∞ Hildegard
                       Symanski
                     kinderlos
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24.9.2013
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Ernst Zimmer (Ernst Carl Ludwig)
(geboren 27.9.1861 in Nausseden Kreis Heiligenbeil, gestorben 12.11.1937 in Berlin)
Nach seinem Theologie-Studium in Königsberg richtete er ein Gesuch an das königliche Konsistorium zum "Examen pro lic. conc.", mit dem nachstehenden Lebenslauf.

Lebenslauf

Auf dem Rittergut Nausseden im Kreis Heiligenbeil,Regierungsbezirk Königsberg, bin ich, Ernst Carl Ludwig Zimmer am 27ten September 1861 geboren. Mein Vater und der Bruder meines Vaters verließen mit dem Abiturientenzeugnis das altstädtische Gymnasium zu Königsberg und widmeten sich dem juristischen Studium. Mein Vater hatte sehr bald seine Examina gemacht und arbeitete als Königlicher Regierungsassessor der Königlichen Regierung zu Gumbinnen. Bei Mitmachung einer militärischen Übung als Offizier hatte er sich ein Lungenleiden geholt, das durch die Arbeiten in der Stube noch verschlimmert wurde, so daß die Ärzte ihm den Rat gaben, auf`s Land zu ziehen. Mein Vater, Jurist mit Leib und Seele, hatte mit bereits 16 Jahren die Schule durchgemacht, war noch sehr jung als er das Assessorenexamen bestand, so daß ihm der Austritt aus dem Staatsdienst um so schwerer wurde. Gleich nach seinem Ausscheiden kaufte er das Rittergut Nausseden, ein Gut mit herrlicher Lage, mit prächtigem Buchenpark, an den steilen, romantischen Ufern eines kleinen Flußes, so daß selbst der Rheinländer sagen mußte: Es giebt auch noch andere schöne Punkte in Preussen außer dem Ostseestrand. Selten wohl ist es einem vergönnt, in so glücklichen Familienverhältnissen seine erste Kindheit zu verleben. Das Verhältnis zwischen meinen Eltern war ein solches, wie man es nur ausnahmsweise findet. Das seelische Leben meiner Eltern konnte meinem kindlichen Gemüt nur schöne Eindrücke einprägen, Eindrücke, deren ich mich noch jetzt lebhaft erinnere und die mir mein ganzes Leben lang unvergeßlich bleiben werden. Als ich 9 Jahre alt war, nahm mein Vater einen Hauslehrer an,was mir natürlich nicht sehr erwünscht war, aber mein Glück im großen und ganzen wenig störte, wenn mich auch mein Vater am Abend jedes Tages darin prüfte, was ich bei meinem Hauslehrer durchgenommen hatte. Die Welt schien mir noch ein einziger Frühling zu sein, so sorglos lebte ich, bewacht und geleitet von meinen Eltern. Das schwerste, was mich treffen konnte, glaubte ich darin zu sehn, daß mein Vater mich aus dem Hause gab. Mit 11 Jahren kam ich hier in Königsberg zu meiner Tante, der verw. Tribunalsrätin v.d.Trenck, in Pension. Ich hätte mich hier sehr wohl gefühlt, da ich auch ein so reizendes Leben zwischen Mutter und ihren beiden Kindern vorfand, wenn ich mich nicht so grenzenlos nach meinen Eltern und Schwestern gebangt hätte. Die Ferien waren die schönste Zeit für mich, selbst wenn das Zeugnis nicht gut war, und ich fürchten mußte, von meinem Vater zur Arbeit tüchtig angehalten zu werden und auch wurde, selbst dann waren mir dieselben immer viel zu kurz und manche Thräne floß, wenn meine Eltern und Schwestern mit mir den Wagen bestiegen und mich zur nächsten Bahnstation führten, um mich nach Königsberg zu schicken. Ostern 1876 sollte ich meinen Vater zum letzten Mal gesehen haben. Ich verließ ihn schon sehr elend. Zum letzten Mal war er noch so herzlich gut; er nahm Abschied von mir mit den schönen Worten: "Fürchte Gott und scheue niemand." Ich fühlte mich selbst nicht wohl, eine Krankheit steckte in meinen Gliedern, die bald zum Ausbruch kommen sollte. Ich bekam den Typhus, lag ¼Jahr zu Bett und als ich gesunder war und nach Hause fuhr, fand ich meinen Vater nicht mehr. Man verheimlichte mir seinen Tod, da der Arzt es wünschte. Allein dies Trostlose erfuhr ich sehr bald. Meine Mutter war vor Gram so gebeugt, daß ich, als ich gesunder und daher empfänglicher für meine Umgebung wurde, jedes Mal erschrak, wenn ich sie sah. Mein Schmerz war grenzenlos, ich bekam einen Rückfall, von dem ich mich im Laufe ½ Jahres erholte. Bald sollte ich noch unglücklicher werden. Schon nach einem Jahr starb meine Mutter aus Gram und Sehnsucht nach meinem Vater. Die Bäder, in die sie mit meinen beiden Schwestern auf Anordnung der Ärzte ging, konnten nichts helfen. Mit dem Frühling war es nun mit einem Mal aus; das Leben war bereits in seiner Wirklichkeit an mich herangetreten. Wir drei Geschwister waren Waisen. Der Studiengenosse und Freund meines verstorbenen Vaters, Landgerichtsrat Symanski hier in Koenigsberg, wurde unser Vormund. Er ließ das Gut meiner Eltern verkaufen. Wir Geschwister reisten nach Masuren,wo die Schwester meiner Mutter damals noch ein großes Gut besaß. Ich wurde in der Sekunda des Gymnasiums zu Lyck aufgenommen, kam in Pension zu meiner Tante, der verw. Oberamtmann Strehl, machte das Abiturientenexamen und widmete mich der Militärkarriere. Jedoch schon nach einigen Wochen änderte ich meinen Plan und folgte meiner ursprünglichen Neigung. Ich begann das Studium der Theologie, das mich gleich von Anfang fesselte, und in dem ich meine Befriedigung fand. Als Einjährig-Freiwilliger diente ich nun mein Jahr ab; war gerne gesehen von meinen Vorgestzten, mit denen ich privatim verkehrte, und wurde auch als überzähliger Unteroffizier mit dem Qualificationszeugnis zum Offizier entlassen. Das Studium der Theologie, dem ich mich jetzt ungestört hingeben konnte, zog mich immer mehr an. Ich blieb selbst in den Ferien hier und arbeitete, obwohl meine Schwestern dann verreisten.Nur im vorigen Sommer machte ich, da es mir meine Vermögensverhältnisse gestatten, eine Reise durch Deutschland über Trier bis nach Metz und durch Holland und Belgien bis nach Ostende. Bei meiner Reise jedoch, wie ich glaube, bin ich zum Teil von falschen Motiven geleitet, so daß ich einen wirklichen Genuß oft nicht verspürte. Nämlich dadurch, daß ich das Historische vorzugsweise ins Auge faßte, mußte das Ästhetische oft in den Hintergrund treten. Erst Ende September kehrte ich von meiner Reise nach Königsberg zurück, wo mich meine Schwestern schon erwarteten. Wir drei Geschwister haben auf dem Hintertragheim eine Wohnung gemietet mit einer Aussicht auf die schönen Gärten am Schlossteich und auf die im Hintergrunde hervorragende altroßgärtn. Kirche. Den größten Teil des Tages studiere ich. In meinen Mußestunden spiele ich Geige und gehe mit meinen Schwestern spazieren. Sonntags vormittag gehe ich in die Kirche und Nachmittag besuche ich meinen hier wohnenden Onkel, den General v.Leslie, oder Studiengenossen und Freunde meines Vaters, am meisten meinen früheren Vormund, den Landgerichtsrat Symanski, in dessen Haus mein Zuhause ist. Hier wird viel musiciert und auch ich spiele viel Geige mit Clavierbegleitung. In diesem Frühjahr bewarb ich mich bei dem Königlichen Konsistorium um Dispens von dem Erfordernis, nach bestandener Reifeprüfung im Hebräischen das Studium der Theologie noch fünf Semester hindurch fortzusetzen, welcher mir ganz geneignest erteilt ist, so daß ich mich dem examen pro lic.conc. unterziehen kann und nur Gott bitte, mir auch hierzu wieder seinen Segen geben zu wollen.

[Mtlg Irmi Gegner-Sünkler 2008]