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Thorn, August 1959. (Eigenes Foto.)
Unsere Vorfahren lebten
in Masuren, Samland, Danzig, Thorn, Königsberg.....
T
H O R N, P R E U S S E N, U N D U N S E
R E V O R F A H R E N
Eine
ganz persönliche Darstellung der preußischen
Geschichte, die von
einigen unserer Vorfahren mitgestaltet wurde.
H.D.Lemmel,
1991, seither ergänzt
Völkerwanderung:
Man nimmt an, dass eine jahrzehntelange Abkühlung des
Weltklimas
Missernten und Hungersnöte in Nordeuropa brachte und so die
Völkerwanderung auslöste. Die an der unteren Weichsel
ansässigen
Goten zogen südwärts. Nach allmählicher
Normalisierung des Klimas
wanderten nördlich von Thorn Balten (Prussen) ein, und
südlich von
Thorn Slawen (Polen). Die Balten, zu denen Letten, Litauer und
Prussen zählen, sind weder Germanen noch Slawen. Die Prussen,
wohl teilweise
mit im Land gebliebenen Resten von Goten vermischt, unterhielten von
ihrem Handelshafen Truso aus (später Elbing, schon eine
Gründung
der Goten) Handelsbeziehungen mit Schweden und anderen
Ostsee-Ländern. – (Dazu gab es in Danzig um
2000 eine
sehenswerte Prussen-Ausstellung im Meeres-Museum.)
966:
Christianisierung Polens, das aus "Großpolen" (Posen,
Gnesen, Wartheland), Masowien (um Warschau, an mittlerer Weichsel und
am Bug) und "Kleinpolen" (Krakau) besteht. Unter unseren
Vorfahren sind Prussen, aber auch Masowier. Zeitweilig eroberte Polen
die slawischen Herzogümer in Pommern und Schlesien, die aber
bald
ans Deutsche Reich kamen (Pommern freiwillig 1163, Schlesien 1038
infolge Eroberung durch Böhmen), wobei die dort
ansässigen Slawen
nach und nach die deutsche Sprache der Zuwanderer annahmen.
Um
1220:
Die untere Weichsel war die Grenze zwischen den heidnischen Prussen
im Osten und dem Herzogtum Pommerellen im Westen mit kaschubischer
Bevölkerung. Der Herzog saß in einer Burg in Danzig
(997 erstmals
beurkundet, 1184 "castrum Kdance"), neben der eine
Kaufmanns-Siedlung entstand, die bald Stadtrecht erhielt und der
Hanse beitrat. Weiter südlich war das Gebiet im Weichselknie
(nördlich von Thorn, später: "Kulmerland") zwischen
heidnischen Prussen, christlichen Pommern und Polen umstritten. Auf
dem Gebiet der späteren Thorner Ordensburg gab es eine
slawische
Siedlung, die von Prussen zerstört wurde. Herzog Konrad von
Masowien
wandte sich an den Deutschen Ritterorden um Hilfe gegen die Prussen.
Er "schenkte" dem Orden dafür das Land im Weichselknie
(Kulmerland), obgleich er dieses gar nicht besaß, freilich
mit Hilfe
des Ordens gerne erobern wollte.
(Der
Kampf gegen die Heiden war eine politische Leitlinie des
Mittelalters: Karl der Große gegen die heidnischen Sachsen in
Norddeutschland und gegen die Araber in Spanien, Kreuzzüge,
Abwehr
der Hunnen, etc. Die Heiden waren tatsächlich eine ernste
Gefahr:
Noch 1241 stürmten die Mongolen bis Liegnitz, die
Türken eroberten
1453 Konstantinopel und standen 1525 und 1683 vor Wien. Aus damaliger
Sicht war der Kampf gegen die heidnischen Prussen, die freilich
für
niemanden eine ernste Gefahr darstellten, eine christliche
Notwendigkeit.)
1226
"Goldene Bulle von Rimini": Der Kaiser (als "Eigentümer
alles als herrenlos zu betrachtenden Heidenlandes")
bevollmächtigte den Deutschen Ritterorden zur
Christianisierung der
Prussen und zur Eroberung ihres Landes; er bestätigte ihm das
von
Herzog Konrad geschenkte Kulmerland und die zu erobernden prussischen
Gebiete als Lehen des Deutschen Reiches. Darüber, ob hierdurch
das
Prussenland zu einem Teil des Deutschen Reiches wurde, sind die
Meinungen geteilt. Im Prussenland wurde die deutsche Rechtsordnung
eingeführt, aber de facto ist es nicht Teil des Reiches
geworden.
1230:
Der Deutsche Orden in Wien und Venedig, unter Hermann von Salza,
ernennt Hermann Balk zum Landmeister von Preußen, der mit der
Eroberung beginnt.
1231:
Gründung der Stadt Thorn im Weichselknie 7 km unterhalb der
heutigen Stadt, zunächst als provisorische Siedlung, dann
massiv mit
Stadtmauer: gleichzeitig Baubeginn von Burg und Altstadt an der
heutigen Stelle. 1232/1233 bereits Stadtrecht: es muss also bereits
im ersten Jahr einige tausend Siedler gegeben haben. Thorn war die
älteste deutsche Stadt im Preußenland. - Der Name
Thorn stammt von
der Burg Toren (="Tor-Turm") in Syrien, die im Verlauf
eines Kreuzzuges gegründet worden war aber vom Deutschen
Ritterorden
kurz vor seinem Zug nach Preußen aufgegeben werden musste. -
In
rascher Folge Gründung vieler Burgen und Städte im
Prussenland,
u.a. 1232 Kulm, 1237 Elbing, 1255 Königsberg. Und viele, viele
andere. Jedes Jahr etwa wurde mit dem Bau einer weiteren Burg und
Stadt begonnen – eine gewaltige Leistung!
In
keiner Ordensgeschichte fand ich gebührend geschildert, wie
die Ordensleute das
vollbrachten. Bei den Prussen waren Stein- oder Ziegelbauten
unbekannt. Der Orden muss für jeden einzelnen Burgbau viele
hunderte Prussen angelernt haben, Ziegelsteine herzustellen, Kalk für
den
Mörtel zu brennen, Holz für Balken und
Baugerüste zu bearbeiten,
und schließlich unter Anleitung von meist flandrischen
Architekten
die Mauern zu errichten und, nicht zuletzt, Nahrung, Kleidung,
Pferde, Wagen und anderes herbeizuschaffen. So überrascht es
nicht,
dass neben jeder Burg auch eine Stadt entstand, in der sich die
prussischen Arbeiter mit ihren Familien, dann aber auch deutsche
Kaufleute und Handwerker niederließen.
(Scharen
von deutschen Siedlern strömten nicht nur in das Prussenland
sondern
nach ganz Osteuropa: Ungarn/Siebenbürgen, Polen, Russland. -
Selbst
Ofen/Budapest, Krakau, Warschau und andere Städte bekamen in
dieser
Zeit deutschsprachige Stadträte.)
1234:
Der Papst gibt das Prussenland dem Deutschen Orden zum Lehen.
1243:
Nach einer eigenartigen Regelung wurde ein Drittel des Landes nicht
dem Orden unterstellt, sondern Bischöfen. So wurden 1243 vier
relativ selbständige Fürstbistümer
gegründet: das Kulmerland
nördlich von Thorn, mit dem Bischofssitz in Kulm, das Bistum
Pomesanien mit Riesenburg und Marienwerder, das Bistum Ermland mit
Allenstein, Heilsberg und Frauenburg, und das Bistum Samland, dessen
Bischof in Fischhausen residierte.
1264:
Gründung der Thorner Neustadt (schon 33 Jahre nach der
Altstadt!).
Altstadt: hauptsächlich Kaufleute, mit Rathaus, Johanniskirche
und
Marienkirche; Neustadt: hauptsächlich Handwerker, mit
Jakobskirche.
Zwei an einander grenzende, durch doppelte Mauer mit Wassergraben
dazwischen getrennte Städte mit eigenen Stadträten
und
Bürgermeistern. Am Weichselufer sitzt die Ordensburg zwischen
den
beiden Städten, zunächst zur Überwachung der
Bürger, später in
der Klemme zwischen den Städten.
Um
1280:
Thorn ist Mitglied der Hanse (die freilich erst später
formelle
Hansetage abhielt und politisch aktiv wurde). Wichtigste Stadt des
Ordenslandes.
1283:
Die Unterwerfung des Prussenlandes ist abgeschlossen, die letzten
Prussen nahmen das Christentum an, nachdem sie sich 50(!) Jahre lang
heldenhaft gewehrt hatten. (Auch in den folgenden Jahrzehnten gab es
noch Prussenaufstände, in denen sogar einige Ordensburgen
wieder
zerstört wurden.) Das Ordensland Preußen ist nun ein
selbständiger
Staat. - Der letzte Prussenführer, der sich 1283 dem Orden
ergab,
war Skomand aus Skomentnen bei Lyck, zu dessen Nachkommen die
Danziger Ratsherren-Familie Schumann gehört, aus der unsere
Urgroßmutter stammt.
1294:
Das slawische Herzogshaus von Pommerellen stirbt aus. (Pommerellen:
das von slawischen Kaschuben bevölkerte Land westlich der
unteren
Weichsel.) Der Markgraf von Brandenburg und der König von
Polen, die
hier beide nichts zu suchen haben, stritten sich um Pommerellen.
Daraufhin schritt der Orden ein, der hier auch nichts zu suchen
hatte.
1308:
Der Orden erobert die Hansestadt Danzig, bisher Sitz der
Herzöge
von Pommerellen, mit Siedlungen von slawischen, deutschen und
dänischen Kaufleuten. Die Stadt wurde bei der Eroberung
zerstört,
dann aber in Backsteingotik prächtig aufgebaut: zwei
unabhängige Städte, Altstadt und "Rechtstadt".
1309:
Der Orden erobert Pommerellen. Nachdem der slawische Herzog von
Pommern bereits 1181 Reichsfürst geworden war (ohne
Pommerellen),
war nun die Landbrücke zwischen Preußen und dem
Deutschen Reich
hergestellt. Auf Pommerellen erhob aber auch der polnische
König
Anspruch, der aber im Friedensvertrag 1343 auf dieses Gebiet
verzichten musste.
Rückblickend war
es ein entscheidender Fehler, dass der Orden das linke Weichselufer
eroberte. Hier lebten Christen, während der Orden nur dazu
befugt
war, Heidenland zu erobern. Der Kampf um Pommerellen war
eine der Wurzeln für die bis 1945 andauernde
preußisch-polnische
Fehde.
1309:
Der Hochmeister des Ordens, der bisher in Venedig residierte,
verlegte den Ordenssitz auf die Marienburg. Dadurch verlor Thorn, das
bisher die inoffizielle Hauptstadt Preußens war, an
politischem
Gewicht.
1346:
Bromberg (polnisch Bydgoszcz) wird gegründet, auf der
polnischen
Seite der Weichsel, als polnische Konkurrenz zu Thorn.
1348:
Erstes Auftreten der Pest in Deutschland, das
Bevölkerungs-Wachstum
wird erheblich geschwächt, der Zustrom deutscher Siedler nach
Preußen versiegt.

14.Jh.:
Thorn ist die wichtigste Handelsstadt an der Weichsel.
"Königin
der Weichsel", mit ihren gewaltigen gotischen Bauwerken ist sie
"herrlicher als jede andere Stadt". Das Rathaus wird gebaut. Stadtmauer mit 30
Wehrtürmen und Toren, verziert mit gebrannten Ziegeln,
Keramikfliesen und bemaltem Putz. - Das wichtigste Handelsgut sind
Metallwaren, z.B. Kupferbarren, aus Ungarn (= heutige Slowakei und
Siebenbürgisches Erzgebirge), die auf Fluss-Schiffen die
Weichsel
herunter kommen und in Thorn auf See-Schiffe umgeladen werden, die
über Ostsee und Nordsee nach Nordwestdeutschland und England
fahren.
In der Gegenrichtung kommen hauptsächlich Tuche aus den
Niederlanden.
1361-1370:
Siegreicher Krieg der Hanse gegen Dänemark, das bisher die
mächtigste Ostseemacht war. Im Verlauf dieses Krieges besetzt
Thorn
zeitweilig Stockholm. Höhepunkt der politischen Macht Thorns.
Unter
den führenden Ratsherren waren unsere Vorfahren Albrecht Russe
(wir
wohnten in der Albrecht-Russe-Straße) und Albrecht Watzenrode
(der
vier Morgen Wiese "in der Mocker" hatte, also ungefähr
dort, wo wir wohnten). Beide sind auch Vorfahren von Copernicus.
Um
1400:
Thorn hat etwa 10ooo Einwohner innerhalb der Mauern, weitere 10ooo
außerhalb.
Die
Leistung des Ordens: Errichten von Städten, Burgen und
gewaltigen
Kirchen, in kürzester Zeit, aus Stein und Ziegeln in einem
Land, in
dem Steinbauten unbekannt waren. Die deutschen Einwanderer brachten
in Handwerk, Landwirtschaft und Waldwirtschaft Kenntnisse mit, dann von Prussen und Slawen übernommen wurden. Als
freie Bauern wurden Deutsche und Prussen gleichermaßen
herangezogen,
ohne Leibeigenschaft (!), was in Europa einzigartig war. Durch
fortschrittlichen Ackerbau wurde der Getreide-Export die wichtigste
Einnahme-Quelle des Ordens. - Aus der Vermischung von Deutschen und
Prussen entstand der neue Volksstamm der (Ost-)Preußen mit
einem
eigenen Dialekt der deutschen Sprache. Es entstand ein
selbständiger
Staat "Preußen" zwischen Weichsel und Memel, mit Thorn als
wichtigster Stadt und der Marienburg als Regierungssitz, ein Staat
ähnlich der Schweiz: mehrsprachig, mit deutscher Mehrheit, und
nicht
Teil des Deutschen Reiches.
Was geschah mit
den Prussen? Unsere Prussen-Vorfahren Kadgiehn im Samland und Waschul in Masuren bieten
zwei Beispiele. Sie wurden vom Orden
als freie Bauern eingesetzt.
Das
Versagen des Ordens: 1. Aus Geldmangel wurden
Söldnerführer
(zumeist deutsche Adelige) mit Ländereien belohnt, die zu
Rittergütern wurden, auf denen Prussen, entgegen den
Ordensprinzipien, als Leibeigene gehalten wurden. So auch ein Vettern-Zweig unserer Waschul-Vorfahren. 2. Nach der
gewaltigen Leistung des Aufbaus gab es keine gute Verwaltung des
Bestehenden. Während in Deutschland die Reichsstädte
eine wichtige
Stütze des Kaisers waren, war der Orden mit den
preußischen Städten
ständig zerstritten. Die Städte hielten daher zur Hanse und
kaum zum
Orden, und mussten sich schließlich mit dem polnischen
König gegen
den Orden verbünden. 3. Der Orden brachte es nicht fertig, mit
seinen Nachbarn in dauerhaftem Frieden zu leben.
1410:
König Wladislaw Jagiello von Polen und Litauen
schlägt das
Ordensheer bei Tannenberg (polnisch: bei Grunwald), kann aber die
Marienburg nicht einnehmen.
1411:
Erster Thorner Frieden, noch ohne wesentliche Einbußen
für
Preußen.
1411:
Unser Vorfahr Konrad Letzkau, Bürgermeister von Danzig,
schloss
einen für Danzig günstigen Vertrag mit dem polnischen
König und
wurde dafür vom Deutschen Orden ermordet. Er ist die
Hauptfigur in
dem historischen Roman "Heinrich von Plauen" von Ernst
Wichert.
1417:
Unser Vorfahr Michael Schumann, Ordensritter, der bei Tannenberg
mitgekämpft hatte, tritt aus dem Orden aus (aus Protest?), heiratet und geht
an den
pommerschen Hof. (Ein Nachkomme geht 1556 nach Danzig. Unter seinen
Nachkommen sind elf Danziger Ratsherren namens Schumann.)
1419:
Weitere Kriege zwischen Orden und Polen bis 1435.
1420:
Die Thorner Ordensburg brennt und wird wieder aufgebaut. Der Orden
ist finanziell erschöpft.
1422:
Frieden vom Melnosee: Die Grenzen zwischen (Ost-)Preußen und
Polen-Litauen wurden nun so festgelegt, wie sie bis 1919 bestanden.
Bei Thorn liegt die Grenze an Weichsel und Drewenz (letztere
mündet
oberhalb Thorns von Nordosten her in die Weichsel). Diese
Grenzziehung ist eine Teilung des Prussenlandes, denn ein
beträchtlicher Landstreifen Polens südlich und
östlich des
späteren Ostpreußen war Prussenland gewesen. Im
polnischen Teil des
Prussenlandes liegt der Ort Zambrzyce, dessen Name auf den
Prussenstamm der Samben zurückgeht ("Samland") und der der
Ursprungsort unserer Sembritzki-Vorfahren ist.
1439:
"her Hanns Lemmel, ritter, graff czu der Hermannstadt" in
Siebenbürgen, richtet einen Brief an den
Bürgermeister der Stadt
Thorn und erbittet Auskünfte von "Hans von der Lindens Sohn
und
Lucas Waczelrode". Beides sind unsere Vorfahren; letzterer ist
der Großvater von Copernicus. (Der Brief ist im Stadtarchiv
im
Rathaus als "dok. 922".) (Hans Lemmel in Hermannstadt ist
ein Vetter unseres Vorfahren, des Nürnberger Ratsherrn Hans
Lemlein.)
1440:
Unter der Führung der Thorner Altstadt schlossen sich die
preußischen Städte zu einem "Bund vor Gewalt" (=
"Preußischer Bund") zusammen, "Gott zu Lobe, unserem
Herrn Hochmeister, seinem Orden und seinen Landen zu Ehre", in
Wahrheit aber, um die dilettantische absolute Herrschaft des Ordens
einzuschränken. Der Bund bestand aus 53 preußischen
Edelleuten
(Rittergutsbesitzern) und 19 Städten. Es folgte ein
13-jähriger
Bürgerkrieg zwischen Ordens-Gegnern und Ordens-Treuen. Die
reichen
Städte Thorn und Danzig finanzierten die Ordens-Gegner.
1446:
Thorner Bürgermeister wird Tileman vom Wege, Titelfigur des
historischen Romanes von Ernst Wichert "Der Bürgermeister von
Thorn". Er wurde der Anführer des preußischen
Städtebundes
gegen den Orden. (Seine Tochter ist unsere Stiefahnin; sie heiratete
1450 den Kaufmann Georg Bornbach, der Bürgermeister von
Warschau
war; ein Sohn aus seiner zweiten Ehe ist unser Vorfahr.)
1454:
Thorn sagt sich vom Deutschen Orden los. Altstadt und Neustadt
werden vereinigt. Thorn wurde ein selbständiger Stadtstaat,
der sich
freiwillig der Oberhoheit des polnischen Königs unterstellte.
Der
polnische König (Kasimir IV) zog in Thorn ein, wo ihm die
Städte
Thorn und Kulm sowie der Adel des Kulmerlandes huldigten. Die Thorner
Ordensburg blieb beim Orden, der sich freilich selbst auch unter die
"Schutzherrschaft" Kasimirs stellen musste und sein
Hauptschloss, die Marienburg, an Polen verlor, nachdem der
Hochmeister aus Geldmangel die Marienburg unbezahlten
Söldnerführern
als Pfand übergeben musste.
1457
wird Königsberg Sitz des Hochmeisters.
1464:
Die Thorner Bürger erobern und zerstören die
Ordensburg. Nur der
Danzker (= Plumpsklo mit Abfluss in die Weichsel) bleibt erhalten.
Erneuter Krieg zwischen Orden und Polen, mit der deutschsprachigen Stadt Thorn auf der
polnischen Seite.
1466
Zweiter Thorner Frieden: Kasimir wird "Herr und Erbe
Preußens",
jedenfalls des westlichen Teiles (mit Pommerellen, Kulmerland, Elbing
und Ermland), der jetzt "königliches Preußen",
später
"Westpreußen" genannt wird. Das heißt: Kasimir ist
"in
Personalunion" König von Polen und Herrscher in
Preußen (so
wie später der Kurfürst von Sachsen in Personalunion
auch König
von Polen wird). Was der Titel "Herr und Erbe" bedeutet,
ist unklar, und die Frage, wie weit die Rechte des polnischen
Königs
in den verschiedenen Teilen Preußens gehen, ist Anlass
für ständige
Konflikte. - Tatsächlich herrschten die preußischen
"Stände"
unter dem "Schutz" des polnischen Königs. Die
"Stände":
das waren die großen und kleinen Städte sowie der
grundbesitzende
Adel. Unser Vorfahr Niclas von der Linde hatte als Thorner
Bürgermeister eine führende Rolle im
Ständestaat. - Der
Ordenshochmeister in Königsberg musste die Oberhoheit (jedoch
nicht
Lehnsherrschaft) des polnischen Königs anerkennen. Das
Fürstbistum
Ermland war ziemlich selbständig, mit dem polnischen
König als
Schutzherrn. - Wenn es bis zu diesem Zeitpunkt unklar war, ob
Preußen
ein Teil des Deutschen Reiches war, dann ist es das nun definitiv
nicht mehr. - Verstärkt wanderten nun "Masauern" aus
Masowien a) in das südöstliche Preußen ein,
das durch die
Einwanderer den Namen "Masuren" erhält, und b) in das
Kulmerland, so dass die deutsche Stadt Thorn zu einer Insel in
vorwiegend polnischem Umland wird. - Das Land Preußen blieb
bestehen, war aber nun zerstückelt, und der polnische
König hatte
in den einzelnen Teilen unterschiedliche Rechte.

15.Jh.:
Die Seeschiffe werden größer und können
nicht mehr bis Thorn
fahren. Sichtbares Zeichen dafür ist das Krantor in Danzig: Es
dient
dazu, Schiffsmasten hochzuheben und in den Schiffsrumpf einzusetzen;
1443 erbaut, wird es 1454 und nach 1483 mehrmals erhöht,
entsprechend den längeren Masten für die neuen
größeren Schiffe.
Thorn fiel als Handelsstadt zurück und wurde von Danzig
überflügelt,
das vom polnischen König das Monopol für den
polnischen
Überseehandel ("Polens aurea porta") und
Selbstverwaltungsrechte verbrieft erhielt.
Copernicus-Geburtsthaus [um 2000 restauriert, wikipedia]
1473:
Niklas Koppernigk wird in Thorn als Sohn eines Kaufmannes geboren.
(Seine mütterlichen Großeltern namens Watzenrode
sind unsere
Vorfahren.) Als Astronom nennt er sich "Nicolaus Copernicus".
Er wird durch seinen Onkel Lukas Watzenrode, der Bischof in Kulm und
später Fürstbischof des Ermlandes wird,
gefördert. Studium in
Krakau, Bologna, Padua, Ferrara: Theologe, Mathematiker, Jurist,
Arzt. Das Studium wurde vom ermländischen Domkapitel in
Frauenburg
gefördert, und dort bekleidete er verschiedene Funktionen:
Leibarzt
des Bischofs, der auch von anderen Prominenten zwischen Kulm und
Königsberg herbeigerufen wurde; Teilnehmer an
preußischen
Landtagen; Berater zu preußischer Münzreform;
Verfasser einer
preußischen Landkarte; Kanzler und Administrator des
Domkapitels;
Dombaumeister; zeitweise amtierender Generaladministrator des
Ermlandes.
Zu
seinen Untertanen, für deren Lebensverhältnisse er
sorgt, gehören
die Vorfahren unserer Großmutter Charlotte Lemmel geb. Peter,
die zu
Copernicus' Zeiten in und um Frauenburg als Bauern, Bierbrauer und
Schneider lebten und so wohl auch zum leiblichen Wohl von Copernicus
beitrugen. Unsere Vorfahrin, die Danziger Kaufmannswitwe Anna
Schilling, war zeitweise die Haushälterin von Copernicus.
Bereits
als Student hatte er die Planeten beobachtet. Auf einem Turm der
Domburg in Frauenburg machte er bis ins hohe Alter
Himmelsbeobachtungen (noch ohne Fernrohr) und Berechnungen. 1543 Tod
und in Nürnberg Druck seines Hauptwerkes "De Revolutionibus".
Seine Forschungen, die beinhalten, dass Erde und Planeten um die
Sonne kreisen, wurden vom Vatikan gefördert und
führten 1582 zum
Gregorianischen Kalender. Später (1632) wurde Galilei, der
diese
Forschungen (nun mit Fernrohr) fortführte, vom Vatikan mit dem
Scheiterhaufen bedroht.
1517:
Reformation. Niedergang des Ordens. 1523 fallen plündernde
Ordensheere von Königsberg her in das Ermland ein, so dass
Copernicus als Administrator des Ermlandes den polnischen
König als
Schutzmacht gegen den Orden zu Hilfe rufen musste. Danach
bestätigte
der König das Ermland als eigenständigen Staat.
1525:
Albrecht von Brandenburg, Hochmeister des Deutschen Ordens, bekennt
sich zur Reformation, hebt die Bistümer Samland und Pomesanien
auf,
und wird durch Vertrag von Krakau weltlicher Herzog von
Preußen
unter der Lehnshoheit des Königs von Polen. Jetzt gab es die
"Preußischen Lande Königlich Polnischen Anteils",
kurz
das "königliche Preußen" (Westpreußen mit
Thorn und das
Ermland) und das "herzogliche Preußen" (alles übrige
mit
Königsberg, Masuren, Marienwerder u.a.). Im
"königlichen
Preußen" wurde die Durchführung der Reformation
behindert.
Dennoch wurden die größeren Städte und
Teile des Landes
protestantisch, nur das Fürstbistum Ermland blieb streng
katholisch.
[Landkarte
nach Wikipedia]
Das
königlich polnische Preußen umfasst das Kulmer Land,
Pommerellen,
Marienburg und das Fürstbistum Ermland. Die Städte
Danzig, Thorn
und Elbing werden relativ unabhängige Stadtstaaten.
1530:
Einige der ersten protestantischen Pfarrer sind unsere Vorfahren:
Johann von Blumstein aus Thüringen, Landrichter in
Johannisburg in
Masuren, förderte die Reformation und sein gleichnamiger Sohn
wurde
hier 1530 evangelischer Pfarrer. Peter Hoffmann aus dem Coburger Land
wurde 1530 evangelischer Pfarrer in Preußisch Holland; viele seiner Nachkommen wurden Pfarrer in Ostpreußen.
1542:
Unser Vorfahr Johann von der Linde, dessen Vorfahren als Kaufleute,
Ratsherren und Bürgermeister in Thorn bis 1300
zurückverfolgt
werden können, zieht wegen der unsicheren Thorner
Verhältnisse nach
Danzig.
1556:
Unsere Vorfahren Johann Brandes aus Danzig und Johann von der Linde,
Sohn des Thorner Bürgermeisters Niclas v.d.L., erreichen 1556
auf
dem Reichstag in Warschau die stillschweigende Duldung des polnischen
Königs in Religionsfragen.
1557:
Reformation in Thorn. Deutsche und Polen werden mehrheitlich protestantisch. 1558
wird die Religionsfreiheit für Thorn vom König
verbürgt.
1569:
Dekret von Lublin: Teilung Preußens. Westpreußen,
das bisher nur
in Personalunion mit der polnischen Krone verbunden war, wird dem
polnischen Staat einverleibt. Jedoch behält Danzig mit Umland
seine
Selbständigkeit. Das Land Preußen, das 300 Jahre
bestanden hatte,
ist nun zerstückelt. Das Kulmerland, das der Herzog von
Masowien um
1220 mit Hilfe des Deutschen Ordens erobern wollte, ist nun polnisch.
Das dauerte 200 Jahre bis zur Ersten Polnischen Teilung 1772, durch
die Preußen wieder vereinigt wird.
1618-1648:
Im 30-jährigen Krieg verlangte der schwedische König
Gustav Adolf
von der reichen protestantischen Stadt Danzig finanzielle
Unterstützung, die aber von den Danzigern verweigert wurde.
Dafür
erhielten sie vom polnischen König die Bestätigung
der Freiheiten
des Danziger Stadtstaates. Hierbei war unser Vorfahr Gabriel Schumann
einer der führenden polnischen Diplomaten. So kam es, dass der
katholische Kaiser Ferdinand unserem protestantischen Gabriel
Schumann einen Adelsbrief ausstellte. Ein jüngerer Gabriel
Schumann
fasste 1720 die vom König verbrieften Privilegien in einem
umfangreichen Buch zusammen, das die Verfassung des Danziger
Stadtstaates darstellte.
1657:
Nach schwedisch-polnischem Krieg wird Ostpreußen (nun mit
Brandenburg vereint) souverän. Die Oberhoheit des polnischen
Königs
erlischt (Vertrag von Wehlau). Thorn, Westpreußen und Ermland
bleiben polnisch (Vertrag von Oliva 1660).
1697:
August der Starke, Kurfürst von Sachsen, wird zum
König von Polen
gewählt, mit finanzieller Unterstützung seines
Generalkriegszahlmeisters Johann Lämmel.
Johann Lämmel, sächsisch-polnischer General-Kriegszahlmeister
August
zieht mit dem polnischen Heer nach Norden, um den Schweden die Stadt
Riga abzunehmen. Jetzt muss Friedrich, der Kurfürst von
Brandenburg-Preußen, befürchten, dass sein
Kurfürst-Kollege die
polnische Oberhoheit über Ost-Preußen erneuern
würde. August wurde
freilich 1700 von den Schweden vernichtend geschlagen, so dass
Friedrich die günstige Gelegenheit wahrnahm, sich am 18.1.1701
zum "König in Preußen" zu krönen.
Thorn 1684 [wikipedia]
Thorn
nach 1700:
Als Folge der Schwedenkriege gibt es einen Zusammenbruch des
Wohlstands und dadurch eine Aushöhlung der Thorner Stadtrechte
unter
der polnischen Krone. Thorn ist eine protestantische Stadt
im katholischen Polen unter König August dem Starken von
Sachsen.
Die Amtssprache der Stadtverwaltung bleibt deutsch.
Ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung spricht nun polnisch.
1724
"Thorner Blutbad": Nach Unruhen gegen die
katholisch/polnischen Jesuiten wurden auf Befehl der polnischen
Regierung 10 evangelische Bürger inklusive
Bürgermeister Rösner
enthauptet. (Polnisch: "Thorner Tumulte"). Die
alteingesessenen protestantischen Familien, teis deutsch, teils polnisch sprechend, verloren an
politischem Einfluss. Die evangelische gotische Marienkirche wurde
zwangsweise katholisch.
1772:
Erste Teilung Polens: Der polnische Teil Preußens kommt an
das
Königreich Preußen unter Friedrich dem II. und wird
jetzt
"Westpreußen" genannt. Danzig wird selbständig,
Thorn
bleibt noch bei Polen.
1793:
Zweite Teilung Polens: Thorn kommt an Preußen. Der Freistaat
Danzig
hört auf zu bestehen und fällt an Preußen,
der erste preußische
Danziger Bürgermeister wird unser Vorfahr Michael Groddeck,
der in
den preußischen Adelsstand erhoben wird. Polen ist ein Opfer
des
russisch-habsburgisch-preußischen Imperialismus.
Preußen macht den
Fehler, dass es außer mehrheitlich deutschen Gebieten auch
die rein
polnische Provinz Posen ("Großpolen") annektiert, wodurch
der polnische Nationalismus angeheizt wird, was schließlich
für
Preußen tödlich enden wird. Während zuvor
die protestantischen
Deutschen unter den katholischen Polen einen schweren Stand hatten,
dreht der Preußenkönig nun den Spieß um:
Die westpreußischen
Adeligen (= alteingesessene Kaschuben und Prussen sowie eingewanderte
Polen und Deutsche), die durch drei Jahrhunderte unter der polnischen
Krone sich eine relativ unabhängige Machtstellung
erkämpft hatten,
werden vom preußischen König entmachtet und
großenteils von ihren
Gütern vertrieben.
1807:
Preußen unterliegt Napoleon, Thorn wird wieder polnisch.
1807-1814:
Danzig ist vorübergehend wieder Freistaat; dessen
Präsident ist
unser Vorfahr Ernst Schumann. (Sein Enkel wird unser Großvater Ernst
Lemmel.)
1815:
Nach den Freiheitskriegen kommt Thorn wieder an Preußen.
Handelsstadt, deutsche Garnison und Grenzfestung.
Um
1850:
Eisenbahnbrücke über die Weichsel als Teil der
Hauptlinie
Berlin-Thorn-Allenstein... Wir wohnten 1940-1945 direkt an dieser
Bahnlinie. (Die andere Hauptlinie ist
Berlin-Dirschau-Elbing-Königsberg.)

1853 wird das Copernicus-Denkmal errichtert.
Um
1900:
Neue Blütezeit, neugotische Verwaltungsgebäude,
Schulen,
Stadttheater u.a. Nordöstlich der Neustadt entstand eine
Militärstadt mit Kasernen, Garnisonkirche und
Wohnhäusern.
1920:
50ooo Einwohner. Die Stadt mit vorwiegend deutscher Bevölkerung
wird
polnisch. Erstmals polnisch als Amtssprache der Stadtverwaltung. Die
Mehrheit der deutschen Bevölkerung bleibt, starke polnische
Zuwanderung, dadurch 1939 78ooo Einwohner.
1939-1945:
Nach Hitlers Überfall auf Polen wird Thorn wieder deutsch, hat
jedoch nun einen beträchtlichen polnischen
Bevölkerungsanteil. Dr.
Gerhard Lemmel ist Direktor der Thorner Krankenanstalten und
behandelt, trotz gegenteiliger Anweisungen, auch polnische Patienten.
# Siegel 1944
18.Jan.1945:
Beginn unserer Flucht.
1.Feb.1945:
Einmarsch der Sowjetischen Armee nach kampflosem Rückzug der
letzten deutschen Soldaten. Die Stadt hat den Krieg ohne
Zerstörungen
überstanden. Selbst die Weichselbrücken sind intakt.
1945:
Thorn wieder bei Polen. Starker Zuzug von Polen, hauptsächlich
aus
Lemberg und westlicher Ukraine, die an die Sowjetunion fällt.
Umzug
des polnischen Teiles der Universität von Wilna (das an die
Sowjetunion fällt, heute Hauptstadt Litauens) nach Thorn:
Gründung
der Kopernikus-Universität. Drangsalierung der verbliebenen
Deutschen: Spätaussiedler. In den ersten Nachkriegsjahren hatte
der
Wiederaufbau der zerstörten Städte, vor allem
Warschau und Danzig,
Vorrang, so dass in Thorn einiges an alter Bausubstanz verfiel. Bis
heute ist aber sehr vieles bestens restauriert worden.
2000:
210ooo Einwohner, also ein Vielfaches im Vergleich zur deutschen
Zeit.
Ende
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