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Die jüdischen Lemmel
H.D. Lemmel, Mai 1981, seither ergänzt
Der Name Lemmel/Lämmel ist einer der vielen Familiennamen, die
sowohl bei christlichen als auch bei jüdischen Familien
vorkommen.
Die weitaus meisten christlichen Lemmel-Familien können auf zwei
Stammvater zurückgeführt werden: der eine lebte 1300 in Nürnberg, der andere um 1500 in Mommenheim im Elsass.
Unabhängig davon entstand der
Name
Lemmel als jüdischer Familienname, und zwar
mehrmals zu
verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten, so in Wien um 1600, in
Polen wohl mehrmals im 17. Jahrhundert, im Elsass um 1750, in
Böhmen um 1760.
Für einige jüdische Lemmel-Familien habe ich Stammtafeln:
- Lemmel aus Frohnau/Struth im Elsaß, seit um 1750
- Lemel/v.Lämel aus Tuschkau bei Pilsen, seit um 1760
- Lemel/Laemmel aus Preßburg, seit um 1840
- Lemmel aus Westpreußen, (Rogasen, Schokken, Zempelburg, Znin) seit um 1800
- Lemmel im Süden der Provinz Posen, seit um 1800
einige Zufallsfunde jüdische Lemmel
Zur Entstehung des jüdischen Familiennamens
Lemmel/Lämmel
"Lamm" und die Verkleinerungsformen dazu sind häufige
jüdische Vornamen. Ursprünglich hatten die Juden nur
Vornamen, und so sind die ältesten Nennungen von Juden namens
Lemmel oder Lämmlein stets als Vornamen zu verstehen. So gab
es
noch 1816 in London Benjamin
Moses
Van Praagh "mit seinen vier
Söhnen Lemmel, Joseph, Moses und Saloman". [Familiengeschichte
Van
Praagh]
Verschiedentlich wurde dem Vornamen der Name des Vaters nachgestellt,
was einem Familiennamen formal ähnlich sieht. Man kann aber
erst
dann von einem Familiennamen sprechen, wenn er zumindest von einigen
Generationen unverändert geführt wird, was bei den
frühen Vorkommen jüdischer "Lämmel" meist
nicht der Fall
ist.
Bereits im 14. Jahrhundert sind im süddeutschen Raum
zahlreiche
Juden namens Lämmlein in verschiedenen Schreibweisen wie
Lemblin,
Lämblin, Lemlein und ähnlich bekannt, jedoch noch
nicht als
Familienname. Die Namen lauten zum Beispiel: Lämblin der
Jude von
Augsburg, oder Lemblein
der
Jude des Jakobs Sohn. Beispielsweise lebt
1352 "Lemlein
des Natans Sohn
von Grevenberg" in Nürnberg als ein
Bürger, der mit dem Nürnberger Rat einen Vertrag
schließt. Kurz zuvor, 1346, wurde ein anderer Jude, "Lemlein des
Jakobs Sohn von Grevenberg" wegen eines Vergehens aus Nürnberg
verbannt.
Im Jahre 1502 trat in Istrien oder im Venetianischen ein als Prophet
bezeichneter Ascher
Lemmel
oder auch Ascher
Lämmlein
auf und
verkündete, daß der Messias nach einem halben Jahr
erscheinen werde, wenn sich das jüdische Volk strenge
Buße
auferlege.
[L.Müller: Aus fünf Jahrhunderten;
Beiträge zur
Geschichte der jüdischen Gemeinden im Rieß. In:
Zeitschrift
des Hist.Vereins f.Schwaben u.Neuburg, Jg.25 (1898), S.43, Anm.]
Hier handelt es sich wohl noch nicht um einen Familiennamen, jedoch
kann sich hieraus leicht ein Familienname entwickeln.
Im Jahre 1549 lebte in Wien der Rabbiner Moses Aaron Lämel;
dessen
Sohn starb dort 1616. Danach wird ein Nathan Veit Lämel
erwähnt, der 1630 in Wien starb. Um 1648 wird sein Sohn Samuel
Phöbus Lämel
als
Rabbiner in Posen erwähnt.
[E. Carmoly: Jüdischer ADEL: Die Familie
Lämmel aus
Wien. In:
Ben Chananja V, 1862, Nr.1, Seiten 5f. Laut Mitteilung J. Lemelsen.]
Dies dürfte das erste Vorkommen von "Lämel" als
jüdischer Familienname sein. – Der Namensform nach
dürfte
diese Familie Lämel aus Böhmen stammen, wo
Lämel als
Diminutiv zu Lamm gebildet wird. In Wien heißt dieser
Diminutiv
Lampl und nicht Lämel, so daß der Name
Lämel wohl kaum
in Wien entstand.
Lamm Horowitz,
ein Levite und
Armenvater, starb 1613. Sein Sohn
Jehiskino hatte den nach dem Großvater benannten Sohn
Lämmel, der als Levite und Rabbinatsschüler Ende 1654
in Prag
starb.
[K. Lieben, Gal-Ed: Grabsteininschriften, Prag 1856, Seite
50,
Nr.90. Laut Mitteilung H. Jäger-Sunstenau]
Hier dürfte Lämmel freilich wieder als Vorname
anzusehen sein.
In Glogau lebte der Lederhändler David Lemmel Brill,
dessen 1798 geborener Sohn Seelig
David Lemmel Brill Bürger in Berlin wurde. Auch
hier ist Lemmel ein Vorname.
[Die Judenbürgerbücher der Stadt Berlin
1809-1851]
Im Jahre 1624 wird in Thorn im Gerichtsbuch ein Jakob Lemmel,
jüdischer Fernhändler aus Posen genannt. Hier scheint
"Lemmel" bereits ein jüdischer Familienname zu sein, der
fortan in
dieser Gegend mehrfach vorkommt. - Ob dieser Jakob Lemmel mit dem oben
genannten Posener Samuel Phöbus Lämel
aus Wien verwandt ist,
ist eine offene Frage.
Lemmel/Lämmel als jüdischen Familiennamen gibt es
also in
Böhmen und Posen etwa seit dem 16. Jahrhundert. Ob die
späteren jüdischen Lämmel in Böhmen
von der
gleichen Familie abstammen, oder ob sich der gleiche Familienname
mehrfach unabhängig entwickelt hat, kann nicht beantwortet
werden.
Es ist auch an die Möglichkeit zu denken, daß der
Name
Lemmel/Lämmel durch eine Mischehe von einer christlichen
Familie
an eine jüdische Familie kam. Wenn ein christlicher Lemmel
eine
jüdische Frau heiratete, würden die Kinder namens
Lemmel
jüdisch erzogen werden.
In Südwestdeutschland findet man noch im 18. Jahrhundert
"Lämmlein" als scheinbaren Familiennamen, der aber
tatsächlich des Vaters Vorname ist: 21.12.1753 wird in
Schwabach
getauft: Esaias
Lämmlein,
gebürtig von Treuchtlingen, 23
Jahre alt, ein Sohn des 1746 in Schwabach getauften Judens
Lämmlein
Bärs, nun
Johann Georg Sigmund Gotthilfs genannt
(offenbar ist Gotthilfs der neue Familenname), und hat dieser Sohn die
Namen Andreas Friedrich Thomas bekommen. - 1755 wird getauft: Hanna,
Eyssig Lämmlein,
Schutz-Judens in Georgens-Gmünd, Tochter, 17
Jahre alt, welcher die Namen Anna Cunigunda Helena nebst dem Zunamen
Gottliebin beygelegt wurden.
[Johann Georg Maurer: Johann Heinrichs von Falckenstein
Chronicon
Svabacense oder ausführliche Beschreibung der
Hochfürstl.
Brandenburg-Onolzbachischen Haupt-, Münz- und Lege-Stadt
Schwabach, Schwabach 1756, Seite 288]
Bei Eyssig Lämmlein ist es nicht deutlich, ob es sich um einen
echten Familiennamen handelt, wohl eher, wie im vorigen Beispiel,
ebenfalls nur um den Vornamen des Vaters. Für weitere jüdische
Lemlein/Lämmlein gibt
es eine gesonderte Zusammenstellung.
Im Schwäbischen kommt die häufige Namensform
Lämmle
gelegentlich auch als jüdischer Familienname vor. Der
berühmteste Vertreter ist der jüdische Filmproduzent Carl
Laemmle aus Laupheim, Gründer von
Hollywood.
Zusammenstellung einiger jüdischer Lemmel ohne
genealogischen
Zusammenhang
> Ein "Jud genannt Lemmel"
1527 in Arnau in Böhmen.
[Mtlgn d.Vereins f.Gesch.d.Deutschen inBöhmen
Jg.11, Prag
1873]
> Moses
Aaron Lemmel Teomin,
(* etwa 1510), in Prag. Sein Sohn
Salman Lämlein
starb 1621
in Wien.
> Jacob Lemmel
oder auch Lembel,
(* etwa 1560), 1622 in
Krakau, 1624
Fernhändler aus Posen in Thorn.
[Max Grünwald: Samuel Oppenheimer und sein Kreis, Wien u.
Leipzig
1913, S.3]
[W.Wentscher: Fremdes Volk in Thorn um 1600; in: Arch.f.Sippenforschung
Bd.20 1943 S.35]
> 1669-1699 in
Eidlitz/Nordböhmen: 1669-1672
mehrmals der Jude Wolff Lemmel
oder Lämmel
in Eidlitz
als Gläubiger genannt. 1699 der Jude Lemmel (ohne Vorname) in
Eidlitz.
[Internet 2011. Rudolf Wenisch: Beziehung
Komotaus zu den
Juden der Umgebung im 16./17.Jh. In: Jb. d. Ges. f. Geschichte der
Juden (Jg.??) S.37-1999]
> 1697 in Brünn: Am 21.1.1697 bat der Kremsierer
jüdische Kürschner Lemmel
um die Erlaubnis, bei den
Jahrmärkten Rauhwaren in Brünn verkaufen zu
dürfen. Der
Rat beschloss, vorerst die bürgerlichen Kürschner um
ihre
Wohlmeinung zu befragen.
[Hans Welzl: Zur Geschichte der Juden in Brünn. In: Zschr. des
deutschen Vereins für die Gesch. Mährens und
Schlesiens, Band
8, 1904, S.319. - GL]
> 1709 ist in den Wiener Hofkammer-Rechnungen mehrfach ein Moyses
Lemel verzeichnet.
[Hofkammerarchiv Wien]
> Um 1740 lebte in Glogau ein Liedkomponist namens Ascher
Lämmel.
Hier ist Lämmel nicht als Familienname anzusehen, denn sein
namentlich bekannter Bruder hieß nicht
Lämmel.
[Jewish Encyclopedia im Internet]
> Um 1780 lebte in Tuschkau bei Pilsen ein Jude namens Lemel.
Sein Sohn Simon, ein erfolgreicher Kaufmann in Prag, nahm den
Vatersnamen als Familiennamen an und erhielt 1812 den Adelsstand als Edler von Lämel. Siehe Stammtafel "v.Lämel aus Tuschkau".
> Um 1788 kam ein Jude namens Michel
Lemmel nach Ahrensburg in Holstein. Seine Herkunft ist
unbekannt, Seine beiden Söhne nahmen den
Familiennamen Lehmann
an. Die Nachkommen lebten
dort bis zur Nazizeit.
[Internet 2005: Ein Projekt der Stormarnschule
über den
jüdischen Friedhof in Ahrensburg]
> 1808 lebte in Rachtig an der Mosel, unweit Bernkastel, die
Familie von Getschle
Lemmel mit einigen Kindern. [Dirk Lennartz:
Fast vergessene Zeugen; Juden im Saar-Mosel-Raum, Norderstedt, 2000]
> Im Internet fand ich eine Liste von Krakauer Judengeburten aus
dem
Jahr 1822, wobei nicht immer klar ist, ob "Lemmel" ein Vorname oder
Familienname ist. Da lebte im Haus Nr.89 ein Israel Lemmel, 24
Jahre
alt, der eine Tochter Malka Leah bekam, die aber den Nachnamen
Szmeydler bekam. Im Haus Nr.40 wurde ein Sohn geboren, Vorname: Lemmel,
Nachname: Lemler,
Vater: Wolf,
30 Jahre alt.
> In Polen und in seinen Nachbarländern ist der
jüdische
Familienname Lemmel
sehr
häufig. In den Bremerhavener
Auswandererlisten erscheinen viele Lemmel-Familien, die im 19. und 20.
Jahrhundert aus verschiedenen osteuropäischen Orten nach
Amerika
auswanderten. Darunter eine Familie Lemel,
die in Jerziernia (Jesierna)
bei Tarnopol östlich von Lemberg lebte, von wo 1913 ein Zweig
nach
England und Arizona auswanderte.
> In Lwów (Lemberg) wurde am 20.6.1894 Henryk Lemel geboren, der am9.10.1930 in Posen, auf dem Neufeld, registriert wurde. [Staatsarchiv Poznan, e-kartoteka.net, Internet 2018]
> Eine Kaufmannsfamilie Lemmel lebte in Pleschen bei
Kalisch/Warthe, zwischen Posen und Breslau: Karl Lemmel aus
Pleschen
studierte in Berlin und Heidelberg. Israel
Lemmel, ein Handelsmann aus
Pleschen, ist 1863 nach USA ausgewandert.
> Samuel Lemmel
lebte 1878
in Zempelburg in Westpreußen. Von
ihm stammen etliche Lemmel ab, die in Königsberg und Berlin
lebten
und von den Nazis ermordet wurden.
[Gedenkbuch Berlins der jüdischen Opfer
des
Nationalsozialismus, Berlin 1995; Mtlg Frauke u. H.P.Lemmel]
>> zur Stammtafel der
Lemmel aus Zempelburg
> Aus Tempelburg soll auch Philipp
Lemmel stammen (gemeint ist wohl
eher Zempelburg), ein Jude, der 1929 in Königsberg/Pr. lebte,
wohl
als Bankbeamter. Die Frau hieß Henny. Ein Sohn war 1929
Schlachter (Lehrling oder Geselle) in Königsberg.
[Mitteilung
Heinz Lemmel, Lüneburg, um 1980 aus dem Gedächtnis]
> Aus Westpreußen stammte auch der Berliner Apotheker Ludwig
Lemmel, der 1878 in Znin im Kreis Bromberg geboren wurde
und
1942 aus
Berlin verschleppt wurde. [versch. Quellen]
> In Landau in der Rheinpfalz lebte um 1900 ein
Lemmel. Seine
Tochter Lucie Lemmel
heiratete
Alfred Stern,
Sohn von Ludwig
Stern, ein
Getreidekaufmann aus Leimersheim, der 1892 ein Weinhandlung in Landau
eröffnete. Alfred Stern und Lucie Lemmel gingen nach
Johannisburg,
Südafrika. Der 1922 in Landau geborene Sohn Edgar heiratete
1952
in Kapstadt.
[Internet 2008]
> "Lemmel"
und "Guttel",
ein etwa 1720/1725
geborenes jüdisches
Paar ohne Familiennamen lebten in Frohmühl im Nordwesten des
Elsass, östlich von Saar-Union. Der 1755 geborene Sohn Simon
nimmt
den Vatersnamen als Familiennamen an. Die Nachkommen namens Lemmel
leben heute im Elsaß, in Paris und in USA.
>>zur Stammtafel der
Lemmel aus Frohmühl
1 2 3
Textilläden: 1. S.Lemmel um 1960 in Hagenau, Elsaß; 2.
Claude
Lemmel um 1960 in Straßburg; 3. Wolff Lemmel, 1899 in Straßburg
Die Dissertation von Leo Lemmel
> Isaac
Lemel, (* 1718), 1773 Porzellanfabrikant in
Eberswalde, er bewirbt sich um die Stelle als Oberältester der
Judenschaft.
[Akten im Staatsarchiv Merseburg]
> Ein etwa 1735 geborener Lemel
(ohne Familienname) lebte in
Tuschkau bei Pilsen. Die Kinder nahmen verschiedene Familiennamen an:
Simon Lämel,
Emanuel und
Joachim Lemelsfeld,
Regina und
Magdalena
Lemel. Simon
versorgte als
Prager Großkaufmann die
österreichische Armee und wurde als Edler von Lämel
geadelt.
Er gründete in Jerusalem die Lämel-Schule und das
Lämel-Hospital. Sein 1790 in Prag geborener Sohn Leopold war
ein
reicher Bankier in Wien und wurde als Ritter
von Lämel geadelt. Er
hatte freilich keinen Sohn, so dass der Adel nach seinem Tod erlosch.
Über die Töchter bestand Verwandtschaft mit
prominenten
jüdischen Wiener Familien, darunter Arnold Schönberg.
> Zur Stammtafel der
Lemel/v.Lämel aus
Tuschkau
Simon Lämmel, Porträt (Öst.Nat.Bibl.) und
Wappenbrief
> Moses
Lemelson, *
1747 in Glogau. Vorfahren im Burgenland.
Nachkommen namens Lemelson sind bis in die Gegenwart bekannt.
> Ignatz
Lemel, (*
etwa 1815), in Preßburg. Die
Nachkommen konvertierten zum christlichen Glauben und leben als
Lämmel und Laemmel in Österreich, Deutschland und in
der
Schweiz. Hier der Ariernachweis für den getauften Juden Dr. Karl
Lämmel
in Wien. Dass er bereits 1886 als 9-jähriger katholisch getauft
worden war, nützte ihm nichts. Sein Leben wurde dadurch
gerettet, dass
für
viel Geld bei den mütterlichen Großeltern "mosaisch"
in
"griechisch katholisch" gefälscht wurde.
> zur Stammtafel der Preßburger
Lämmel
> Yossi
Lemmel, ein
Grafik-Künstler aus Israel, hatte
eine Ausstellung in Istanbul.
[Internet 2006]
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